Wut

„Es gibt keine schwierigen Kinder“ steht auf dem Klappentext des Buches „Das überreizte Kind“ von Dr. Stuart Shanker. Und damit hatte er mich schon für sich gewonnen.

Als ganzes Zitat geht das dann so:
„Problematische Verhaltensweisen sind Ausdruck der Unfähigkeit eines Kindes, in diesem Augenblick auf alles, was um es herum vor sich geht – Geräusche, Lärm, Ablenkungen, unangenehme Empfindungen, Gefühle -, zu reagieren.“

Aber oft genug sehen Eltern, Erzieher und Lehrer nicht die VERHALTENSWEISEN der Kinder als problematisch an und suchen gemeinsam nach den Ursachen, um diese zu minimieren, sondern das ganze KIND wird als problematisch beschrieben. Oft immer und immer wieder. Und daraus formt sich natürlich ein negatives Selbstbild mit all seinen daraus resultierenden Problemen.

Shanker plädiert dafür, uns zu fragen, wie wir die natürliche Neigung unseres Kindes zu Fürsorge und Mitgefühl fördern können anstatt uns zu fragen, wie wir aus ihm einen anständigen Menschen machen können.

In meinen Beratungen und den KinderBesserVerstehen-Gesprächskreisen geht es immer wieder um „Mütterliche Wut“.

Mütter hadern damit, wie sie in bestimmten Situationen reagiert haben. Dass sie geschrien, erpresst und vielleicht sogar gestraft haben.

Gedanken zum Umgang mit eigener Wut habe ich ja bereits vor einiger Zeit zusammengetragen.

Im Zuge der „Attachment Parenting = Selbstaufgabe“-Debatte möchte ich auf dieses Thema aber noch einmal eingehen.

Denn aus eigener Erfahrung weiß ich, dass einem Ausraster unzählige Situationen vorausgehen, in denen man nachgegeben hat, seine eigenen Bedürfnisse nach hinten geschoben hat, weil die des Kindes vermeintlich wichtiger sind und man dem Kind keine weitere Enttäuschung (und sich selbst keinen weiteren Wutanfall) zumuten möchte.

Das ist natürlich auch (und vor allem) dem Umstand geschuldet, dass es meist entweder so ist, dass Mutter und Kind(er) den ganzen Tag aufeinander hocken oder aber Mutter und Kind den Tag getrennt in Arbeit und Kindergarten verbringen und danach beide völlig erledigt sind und die mütterliche to-do-Liste noch so lang ist. Eine gesunde Balance zwischen Arbeit, Zeit mit Kind und Haushalt gibt es tatsächlich selten – das ist in unserer Gesellschaft auch nicht vorgesehen. Und so pfeifen am Nachmittag und Abend sowohl Mütter als auch Kinder aus dem letzten Loch.

Mit unserer eigenen Wut umgehen

Letzte Woche habe ich Ihnen ein paar Werkzeuge für Ihren Werkzeugkoffer vorgestellt, wie Sie der Wut Ihres Kindes begegnen können.

Aber was ist eigentlich mit UNSERER Wut?
Ganz ehrlich: Ich kann ja Bücher lesen und Texte schreiben so viel, wie ich will — an manchen Tagen herrscht in meinem Werkzeugkoffer eine unfassbare Unordnung und ich finde nicht, was ich brauche und an anderen – ist der ganze Koffer plötzlich spurlos verschwunden!

Übrig bleiben – um in der Metapher zu bleiben – immer nur zwei Dinge: Der erzieherische Schraubstock und die Brechstange. Das Ergebnis ist häufig ein paar Dezibel zu laut und beinhaltet eine Anhäufung von „Wenn-Dann“-Sätzen. Hinterher geht es sowohl mir als auch meinem Kind schlecht. Gleichzeitig mit der Scham pocht noch die Wut in meinen Adern und mein Kind fühlt sich gedemütigt, fremdbestimmt und – im Endeffekt – ungeliebt.