Vor 34 Jahren wurde ich im St. Vinzenz-Hospital in Köln-Nippes geboren. Heute arbeite ich selbst dort auf der Wöchnerinnenstation.

Vorgestern wurde den Mitarbeitern der Geburtsabteilung bekannt gegeben, dass diese bis zum Ende des Jahres schließen wird. Darüber gab es schon lange Gerüchte; spätestens seitdem im Oktober 2016 die Gynäkologie des St. Vinzenz-Hospitals und des Heilig-Geist-Krankenhauses in Köln-Longerich zur Frauenklinik Köln-Nord zusammengelegt wurden und einen gemeinsamen medizinischen Leiter bekamen. Nun ist es also soweit.

Dieser Beitrag könnte nun ein Rührstück werden mit persönlichen Erinnerungen; der Dramatik der Nippeser Hebammen und auch Ärzte, die laut Geschäftsleitung nicht übernommen werden können, da im Heilig-Geist-Krankenhaus aktuell gar keine Stellen zu vergeben sind und nicht zuletzt der unfairen, unwürdigen Art und Weise, wie es den Mitarbeitern mitgeteilt wurde.

In der heutigen Mitarbeiterversammlung der Hebammen, waren wir uns aber einig, dass das, was von uns nach außen dringen soll, unsere große Sorge für die qualitativ hochwertige Versorgung von Müttern ist und unser Ärger über die katastrophalen politischen Fehlentscheidungen bezüglich Frauen und ihr Recht selbstbestimmt zu gebären und gut betreut zu werden.

 

Die qualitativ hochwertige Versorgung der Mütter ist in Gefahr

„Die Versorgung der Frauen und Eltern sei jedoch durch das Heilig-Geist-Krankenhaus in Longerich, ebenfalls ein Haus der Cellitinnen, gesichert“ – zitierte die Kölner Rundschau in einem Artikel vom 5.4.2017 die offizielle Pressemitteilung des St.Vinzenz-Hospitals. Aber ich persönlich halte das für Blödsinn. Zwar wurden im Heilig-Geist-Krankenhaus aufwändige Renovierungen vorgenommen; die Anzahl der Kreißsäle und der zur Verfügung stehenden Betten wurde nicht erhöht. Wo sollen die 1133 Geburten, die beispielsweise letztes Jahr im Nippeser Kreißsaal stattfanden, denn hin?

 

Kein Hebammen-Kreißsaal mehr in Köln

Zudem gab es im St.Vinzenz-Hospital den einzigen von Hebammen geleiteten Kreißsaal in Köln. Dieser ermöglicht den Frauen eine Geburt ohne ärztliche Begleitung (es sei denn, sie wird nötig) und unterstützt die natürliche Geburt ohne medizinische Eingriffe . Viele Hebammen verstehen die Geburt als ein physiologisches Ereignis, das interventionsfrei bleiben darf. Jede künstliche Eingriff hat in den natürlichen Vorgang hat erwiesenermaßen oft weitere Eingriffe zur Folge und all diese Interventionen insgesamt haben eine Auswirkung auf das Bonding zwischen Mutter und Kind und einen komplikationsfreien Beginn der Stillbeziehung. Das wichtigste Erfolgsrezept für eine schöne, stressfreie Geburt ist die intensive, einfühlsame Betreuung durch eine erfahrene Hebamme und die Vertrauensbeziehung zwischen Mutter und Hebamme, die dafür sorgt, dass sie sich entspannen kann und das Kind auf die Welt bringen kann.

Tatsächlich ist es ja erwiesen, dass es eine Art Kind-Ausscheide-Reflex gibt (Der Arzt und Geburtshelfer Michael Odent beschreibt das beispielsweise in seinem interessanten Buch „Geburt und Stillen“). Fühlt sich eine Frau unsicher oder gar bedroht, zögert der mütterliche Körper die Geburt lieber noch ein bisschen hinaus. Viele medizinische Untersuchungen, grelles Licht, eine ungemütliche Atmosphäre, Verwaltungkram… all das kann den natürlichen Geburtsverlauf ausbremsen. Gestresste Hebammen die für mehr als eine Geburt zuständig sind, sind mit Sicherheit auch ein solcher Faktor. Dies habe ich selbst bei der Geburt meines Sohnes erlebt. Es war eine geburtenreiche Vollmondnacht und die Hebamme hat den Kreißsaal immer wieder verlassen müssen. Ich fühlte mich nicht sicher; hatte Angst, dass sie etwas wichtiges verpassen könnte. Ich konnte richtig merken, wie mein Körper das Kind „einbehielt“. Ich war nicht in der Lage mich in mich selbst und die Wehenarbeit zu versenken, sondern wartete immer ängstlich darauf, wann die Hebamme wieder bei mir war.

Meiner Meinung nach macht gerade die 1:1-Betreuung den Hebammenkreißsaal zu einem tollen Konzept. Die haben Frauen sonst nur bei einer Hausgeburt und dafür fehlt vielen Frauen der Mut. Und wenn ihnen der Mut nicht fehlt, dann immer häufiger die Hebamme, die Hausgeburten begleitet. Und „verspätet“ sich das Kind, dann ist eine Hausgeburt ein nicht tragbares Risiko für die Hebamme, dank der „ET+3-Regelung“, nach der ein gynäkologischer Facharzt die Unbedenklichkeit der Hausgeburt bescheinigen muss. Findet sich kein solcher Facharzt (was aus Angst vor Klagen wahrscheinlich ist) , ist es den Hebammen verboten, Hausgeburten zu begleiten.

 

Immer weniger kontinuierliche Betreuung von gebärenden Frauen

Bei der „normalen“ Krankenhaus-Geburt ist eine 1:1-Betreuung nicht vorgesehen. Dadurch, dass es keine Beleghebammen mehr gibt, kann man sich diese auch nicht mehr „erkaufen“. An Heiligabend 2016 wurden in Nippes beispielsweise acht Christkinder geboren. Diese 8 Geburten kamen auf fünf Hebammen in unterschiedlichen Schichten.

Der Kölner Stadtanzeiger berichtete am 17.01.2017 ähnliches über die Geburtshilfe der Kölner Universitätsklinik. Und auch über den Kreißsaal Holweide, der seine Pforten aufgrund des hohen Krankheitsstand schließen und die Frauen in andere Krankenhäuser verweisen musste, schrieb der Artikel.

 

Was ist mit dem Gesetz, das jeder Mutter die Betreuung durch eine Nachsorge-Hebamme zusteht?

Aber auch die Nachsorgen der frisch entbundenen Frauen und neugeborenen Babys sind ein reales Problem. Sehr viele Mütter finden keine Nachsorge-Hebamme mehr. Auch das Hebammennetzwerk, das es sich zur Aufgabe gemacht hat freie Hebammenplätze zu vermitteln, kann vielen Anfragen nicht mehr gerecht werden. Patienten berichteten manches Mal gar nicht erst zurück gerufen zu werden.

Nach einer spontanen Geburt verlassen die meisten Wöchnerinnen das Krankenhaus am zweiten Tag nach Geburt – nach der U2 wenn das Kind mindestens 48 Stunden alt ist. Zu dem Zeitpunkt klappt das Stillen oft noch nicht gut und die „initiale Brüstdrüsenschwellung“ (im Volksmund irreführend „Milcheinschuss“genannt) ist noch nicht eingetreten. Viele im Handling unsichere Mütter und Väter lasse ich persönlich mit einem sehr unguten Gefühl nach Hause. Vor allem da die Kinderärzte in Nippes und Umgebung auch sehr überlastet sind. Aber vielfach sind wir bis auf das letzte Bett belegt. Durch neue Regelungen, die ab ET+7 engmaschige CTG-Kontrollen und die Einleitung der Geburt empfehlen, liegen gefühlt immer mehr Schwangere bei uns, die auf den Beginn ihrer Geburt warten. Fehlende Hilfen für Mutter und Kind nach der Geburt können natürlich eine medizinische Gefahr sein. Viel öfter ist jedoch meiner Meinung nach das Stillen in Gefahr, wenn die Unterstützung und das Fachwissen fehlt, um durchwachte Nächte mit prallen Brüsten und einem unzufriedenen Säugling ohne die vorsorglich gekaufte Pre-Milch „für den Notfall“ zu überstehen.

 

Noch weniger Rückbildungs- und Geburtsvorbereitungskurse in Nippes

Auch die Elternschule mit den in Nippes sehr begehrten Kursen zur Geburtsvorbereitung und Rückbildung, Baby-Massage, Fit mit Baby, dem Still-Café mit fundierter Begleitung durch ausgebildete Stillbegleiter, die individuelle Stillberatung und die Laser-Sprechstunde für wunde Brustwarzen, die Kurse zum respektvollen Umgang mit Babys und Kleinkindern… all das wird es ab nächstem Jahr nicht mehr geben. Ja, darunter fällt auch mein KinderBesserVerstehen-Kurs. Und dabei sind viele Kurse im Nippeser Umfeld sowieso schon überlaufen.

Ich bin jedenfalls ganz froh, aktuell gerade kein Kind gebären zu müssen.

 

Was ich mir wünsche

Ich wünsche mir Bedingungen unter denen Mütter sicher und vor allem GEBORGEN gebären können. Gemessen wird die Geburtshilfe in Kriterien wie ein guter Nabelschnur-pH des Babys, eine Versorgung der ß-Streptokokken-positiven Mutter mit Antibiotika und ähnlichem Quatsch.

Ich wünsche mir eine Gesundheitspolitik, in denen Krankenhäuser es sich leisten können, natürliche unproblematische Geburten zu begleiten und sich nicht freuen müssen, wenn eine Mutter mit einem insulinpflichtigen Diabetes einen Kaiserschnitt bekommt, ihr Kind regelmäßig Blutzucker-Messungen braucht und schlussendlich wegen einer Neugeborenengelbsucht in die Kinderklinik verlegt werden muss. DANN nämlich wenn es Mutter und Kind schlecht geht, verdient das Krankenhaus gut und das ist schlicht und einfach unethisch.

Ich wünsche mir eine Überarbeitung der DRGs, so dass sich auch menschliche Arbeit und einfühlsame Begleitung rechnet.

Ich wünsche mir Forschungsgelder um den aktuellen gefühlten Versorgungsmangel zweifelsfrei zu belegen und die Auswirkungen auf die Stillquoten, die Mutter-Kind-Beziehung, die Familiensituation und damit die Volksgesundheit (!) zu überprüfen.

Ich wünsche mir Bedingungen für Hebammen und Krankenschwestern unter denen sie GERNE arbeiten können. Wir alle LIEBEN unseren Beruf, aber die Schlagzahl der Geburten, die hohe Rate der Kaiserschnitt-Mütter, die vielen initialen Still-Schwierigkeiten durch die immense Interventionsrate… all dies macht überhaupt keine Freude und geht meilenweit an dem vorbei, was die meisten von uns einmal machen wollten.

http://www.hebammen-nrw.de/cms/aktuelles/meldungen/einzelansicht/datum/2017/04/06/st-vinzenz-klinik-in-koeln-schliessung-im-rundumschlag/

Weiterführende Links zur aktuellen Hebammen-Situation

http://www.mother-hood.de/presse/mother-hood-e-v-fordert-wohnortnahe-versorgung-mit-geburtsstationen.html

http://www.rundschau-online.de/region/notstand-in-kliniken-hebammen-in-der-region-haenderingend-gesucht-26232366

http://kinderhaben.de/und-das-naechste-kind-per-alleingeburt/

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    Natascha Makoschey (Baujahr 1983) hat einen 9-jährigen Sohn und arbeitet als Kinderkrankenschwester in der Geburtshilfe. Wenn sie nicht gerade Bücher liest, zwangsweise Uno spielt oder darüber nachdenken muss, welchen Pokémon sie am liebsten mag, dann quatscht, strickt oder singt sie.

      2 Comments

    1. christine

      Antworten

      Liebe Natascha,
      vielen Dank für deinen Artikel. Ich habe selbst im September im Hebammen Kreissaal Nippes einen Jungen zur Welt gebracht und jetzt wo ich Erfahrungen von anderen höre und auch besser einschätzen kann, bin ich noch dankbarer, darüber, dass ich ganz “entspannt” 🙂 und angstfrei mit einer Hebamme entbinden durfte. (Und keine Angst haben musste, dass mein Körper und mein Kind zu einem ökonomischen Spekulationsobjekt wird) Das hat meine erste Geburt zu einem wundervollen Erlebnis gemacht. Und über die unfassbar, wirklich unfassbar tolle Betreuung, die ich in den darauf folgenden Tagen von den Hebammen erfahren durfte und dank denen das Stillen auch von Anfang an geklappt hat.
      Es ist unglaublich, dass dieser Weg nicht weiter gegangen wird, obwohl er ganz offensichtlich der Richtige ist. Es ist unglaublich, dass unsere Politik genau das Gegenteil fördert.
      Ich werde mich auf alle Fälle informieren, wie man aktiv dagegen vorgehen kann.

      • Natascha Makoschey

        Liebe Christine!
        Vielen Dank für Deine Rückmeldung und ich freue mich wirklich sehr über Deine schöne Geburt und den guten Stillstart!

        Soweit ich informiert bin, soll im Heilig-Geist-Krankenhaus aber nun auch ein Hebammenkreißsaal initiiert werden. Nur falls noch weitere Kinder anstehen… 😉

        Viele liebe Grüße
        Natascha

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