(Diesen Artikel durfte ich für das Unerzogen-Magazin schreiben. Weitere Infos zum Magazin und zur aktuellen Ausgabe hier.)
Wenn Frauen Mütter werden, bringen die Kinder in vielen von ihnen das Beste zum Vorschein. Viele Mütter machen sich auf die Reise, um alte Werte hinter sich zu lassen. Allerdings können sie auch zu „Löwen-Mamas“ werden, wenn andere Menschen abweichende Vorstellungen haben. Ist dieser „Andere“ der Vater der Kinder beginnt in vielen Familien ein Kampf um „Richtig“ und „Falsch“. Es gibt keine Gewinner, wenn die Annahme es „aber besser zu machen“ nicht losgelassen wird.
Als ich vor neun Jahren mit meinem Sohn schwanger wurde, war klar, dass ich ihn allein würde großziehen müssen. Von meiner Umgebung wurde ich für diesen Umstand oft bemitleidet. Ich selbst habe das in den seltensten Fällen nachvollziehen können. Zumindest habe ich mir nicht mehr oder weniger einen Partner gewünscht als zu dem Zeitpunkt, bevor ich Mutter wurde. Meine Sehnsucht nach einer Beziehung war völlig losgelöst von meiner Mutterschaft, die ich bis heute genieße.
Oft hatte ich gar das Gefühl, dass es mir „besser“ ging als vielen Paaren. Ehrlicherweise war ein Faktor dafür folgender: Ich musste meine Elternschaft nicht teilen. Konnte alles so machen, wie ich es für richtig hielt. Das begann beim ausgefallenen Vornamen meines Sohnes und ging dann mit meiner Auseinandersetzung mit Erziehungsfreiheit weiter. Ich konnte die Gedanken zum Aufwachsen in Freiheit und bedingungsloser Annahme aufnehmen, mit ihnen jonglieren und langsam begreifen: “Ups, da geht es gar nicht nur um mein Kind. Da geht es ja um alle Menschen!”
Zwar habe ich es mir nicht ausgesucht, aber ich kann viel Gutes an diesem Weg für mich sehen. Ich durfte in kleinen Schritten wachsen.
Dann verliebte ich mich. Ging eine Beziehung ein. Mein Sohn war fünf Jahre alt, als ein Mann in unser Leben kam, den mein Sohn schon nach einigen Monaten “Papa” nannte. Ich erinnere mich an eines unserer ersten Treffen zu Dritt. Mein Kind buhlte um meine Aufmerksamkeit. Der Mann, dem ich gefallen wollte, buhlte um meine Aufmerksamkeit. Und ich saß dazwischen und dachte nur: “Hilfe! Ist das anstrengend! Bleibt das jetzt immer so? Das schaffe ich nicht!“ Hinterher sagte mein Freund: „Puh, das war bestimmt ganz schön schwierig für dich. Eigentlich habe ich mich nicht besser verhalten als dein Sohn. Ich konnte auch nicht warten.“ Da konnte ich mich das erste Mal an diesem Abend entspannen. Ich fühlte mich gesehen in meinem Spagat uns allen gerecht zu werden.
Das ist aber auch ein Bedürfnis-Salat mit drei (oder noch mehr) Menschen!
5 Wege sich als Paar zu begegnen:
…neugierig aufeinander sein
Wenn Menschen eine Familie gründen, verbinden sie damit eine bestimmte Vorstellung, die sie unter Umständen schon über Jahre begleitet. Es ist natürlich sehr unwahrscheinlich, dass der Partner genau dieselbe Vorstellung von Familie hat. Was sind Werte, die ihm wichtig sind? Was hat ihn in seiner Kindheit geprägt und was möchte er gerne weitergeben? Wovor hat er Angst? Welches Bild sieht er vor sich, wenn er an seine Idealvorstellung von Familie denkt?
In der Schwangerschaft fällt es Paaren meist noch leicht sich derartige Fragen zu stellen, aber später im Alltag mit Kind geht diese Neugierde oft verloren. Immer wieder geht auch der Blick aufeinander als Partner verloren. Paare sehen sich ausschließlich in der Elternrolle. Oft sogar als Gegner in einem Kampf um ungestillte Bedürfnisse. Beispielsweise wenn sich der inhäusige Partner auf die Heimkehr des Außerhäusigen (und die damit in seinem Kopf verbundene Entlastung) freut; der außerhäusige Partner jedoch von seinem Tag auch sehr erschöpft ist und sich genauso nach Ruhe sehnt. Früher (also vor den Kindern) hätten wahrscheinlich beide das bekommen, was sie brauchen: eine Umarmung und jemanden, der ihnen zuhört. Dieses Einheits-Gefühl „Wir gegen den Rest der Welt“ verliert sich oft nach einer oder mehrerer Geburten und es kostet Willen und Energie sich hier als Liebende nicht aus dem Blick zu verlieren.
…einander sehen
Im Alltag mit einem oder mehreren Kindern in unserer westlichen, menschlich-isolierten und leistungsorientierten Gesellschaft lässt sich häufig beobachten, dass beide Elternteile sich emotional und körperlich am Limit bewegen. Schaffen sie es einander in ihrer Not zu sehen, dann bleiben sie auf „derselben Seite“ und können einander alleine mit dem Sehen und kleinen Taten unterstützen. Häufig entwickelt sich aus der Belastung von beiden Elternteilen jedoch eine Vorwurfs-Spirale, die zu unterschiedlichen Fluchtstrategien führt. Die Partner stehen sich als Gegner gegenüber. Die Kinder stehen oft dazwischen.
Einander sehen kann hier helfen, sich bewusst zu machen, dass man als Paar gemeinsam in diesem Boot sitzt und kann dazu beitragen , einen Raum der Wertschätzung zu schaffen.
„Puh, ich hatte einen so anstrengenden Tag und ich habe mir die ganze Zeit vorgestellt, wie schön es ist, wenn du nach Hause kommst und mir die Kinder abnimmst. Und jetzt sehe ich, dass du genauso erschöpft bist und dich auch nach einer Pause sehnst. Manchmal wäre es schön, einfach mal für ein paar Stunden alle Verantwortung von sich streifen zu können, oder? Sehnst du dich da auch gerade nach? Hast du eine Idee, wie wir beide heute Abend ein bisschen Zeit für uns bekommen können?“
…sich mit seinen Wünschen und Bedürfnissen zeigen
Eine der Traumvorstellungen, die viele Menschen haben, ist ein Partner, der instinktiv weiß, was sie brauchen. Ein Mensch, der so mit ihnen verbunden ist, sie so gut kennt, dass es unnötig wird, sich dem anderen mitzuteilen. Ich glaube, dass das ein Relikt aus der Babyzeit ist – die Sehnsucht nach einem Menschen, der eins mit uns ist und alle unsere Sehnsüchte und Bedürfnisse kennt. Und vielleicht ist es so, dass Menschen, die als Baby und Kleinkind erlebt haben, dass sie wirklich bedingungslos geliebt wurden und in ständiger Verbindung mit ihren Bezugspersonen waren, dieser Vorstellung dann einfach entwachsen, weil sie gesättigt sind. Tatsache ist, dass die meisten Menschen alles andere als „gesättigt“ in diesem Bereich sind. Sie hatten als kleine Menschen viele seelische und körperliche Entbehrungen zu verkraften. Und sie schleppen diese Sehnsucht weiter mit sich herum und warten auf ihre Erfüllung.
Es ist ein Schritt der Reife anzunehmen, dass es solch einen Menschen nicht geben kann. Dass es niemals Aufgabe eines anderen sein kann, zu wissen, was jemand selbst braucht. Es ist die ureigenste und schwere Aufgabe eines jeden Menschen herauszufinden, was er wünscht, wer er ist, wer er sein möchte und was er dafür braucht, dass es ihm gut geht. Die Kür ist es, darum bitten zu können und einem respektvollen, bei sich bleibenden Nein in Liebe zu begegnen.
…einander sein lassen
Eine Folge der Ent-Täuschung in einer längeren Partnerschaft ist der oft verzweifelt anmutende Versuch, seinen Partner in die gewünschte Richtung zu verändern. Man kann hier die komplette Palette von an Bedingungen geknüpfter Liebe erleben: Nörgeln, dem anderem die kalte Schulter zeigen, Verweigerung von Nähe, Sex und gemeinsam verbrachter Zeit, Drohungen bis hin zum letzten Ultimatum: „Wenn du nicht xy, dann trenne ich mich von dir“.
Unterschiedliche Werte und Lebensvorstellungen sind nicht leicht auszuhalten. Gibt es Kinder in der Familie, wiegen diese Unterschiedlichkeiten um ein Vielfaches schwerer. Denn die Kinder stoßen wiederum an die eigenen inneren Kinder, an die verletzten Wunden und es wird zumeist recht schnell hochexplosiv.
Langzeitstillen? Familienbett? Tragen? Das Kind mit seinen Bedürfnissen ernst nehmen? Es nicht bestrafen, sondern mit ihm in Beziehung gehen und Vertrauen in sein grundsätzliches Gutsein haben? Was ist, wenn der Partner hier ganz andere Vorstellungen hat?
Aber zuerst eine Nummer kleiner gedacht:
Viele Mütter haben grundsätzlich ein Problem damit, dem Partner beim Umgang mit ihrem Kind zuzusehen. Vielleicht dadurch ausgelöst, dass viele Männer häufig vor ihrem eigenen Kind noch nie ein Baby im Arm gehalten haben und quasi bei Null anfangen. Jedoch würde der Vater schnell eine ganz eigene Art finden mit seinem Kind zu kommunizieren, wenn er denn seine eigenen Erfahrungen machen dürfte. Zu beobachten ist jedoch immer wieder das permanente Eingreifen und Korrigieren durch die Frauen. Auch schwingt häufig Misstrauen mit, als sei das ein Bereich, den der Mann niemals auch nur annähernd so gut übernehmen kann wie die Mutter. „Ich muss mal nach meinem Mann gucken. Wer weiß, was der gerade wieder mit der Kleinen anstellt.“ Es ist ganz natürlich, dass Menschen einen Bereich, indem sie keine Wertschätzung erlangen können, links liegen lassen. So ist es beispielsweise selten, dass Geschwister dasselbe Hobby wählen, wie der amerikanische Psychologe Frank Sulloway beschreibt. Und tun sie es doch, sehen sie einander als Rivalen, die einander beweisen wollen, dass sie „besser“ sind, in dem was sie tun.
Eine Atmosphäre, in der ein Mensch sich niemals kompetent und gut genug fühlt, bedrückt und schafft Aggression. Wenn der Mann sich als Folge aus dem Familienleben herauszieht und weiterhin keine „Kompetenzen“ entwickelt, fühlen sich Frauen oft alleine gelassen und verlangen mehr Unterstützung. Gleichzeitig können sie aber nicht von ihrem Glauben lassen, dass der Vater es sowieso nicht so gut wie sie selbst machen kann und lassen das den Partner häufig auch spüren. Dabei geht es gar nicht um „besser“ oder „schlechter“. Der Mann ist der Vater, wie auch immer er die Rolle ausfüllt und die Frau ist die Mutter. Punkt. Das ist kein Wettbewerb. Jeder Mensch ist ganz er selbst und hat eine ganz eigene Beziehung zu allem. Auch zu den eigenen Kindern.
…dem Partner eine eigene Beziehung zu den Kindern zugestehen
Jedes Elternteil darf eine ganz eigene Beziehung zu seinen Kindern gestalten und seine eigenen Werte vertreten. Ist Mama bedürfnisorientiert und Papa klassisch-autoritär führt das natürlich zu Spannungen, weil die Kinder sich vermutlich öfter an das Elternteil wenden, bei dem sie sich mit ihren Bedürfnissen und in ihrem Sein gesehen fühlen.
Ein einfaches “Mach du, wie du es willst und ich mache es so, wie ich es möchte” führt hier also oft zu sehr viel Frust und Kampf.
Auch ich als alleinerziehende Mutter bin immer wieder mit mir selbst und mit Anderen im Gespräch um herauszufinden, wie ich dieser oder jener Situation begegnen kann und warum es mir so schwer fällt, liebend zu sein.
Das Leben mit Kindern hat ein unfassbares Potenzial für persönliches Wachstum. Seine eigenen Werte zu hinterfragen. Alte Verletzungen aufzuarbeiten. Wie schön wäre es, diesen Prozess gemeinsam mit einem Partner zu gestalten! Dafür müssen aber die Ansprüche von „falsch“ und „richtig“ abgegeben werden. Um einander im Gespräch wirklich zu begegnen braucht es Unvoreingenommenheit. Weiß der andere, dass wir ihn eh nur von der eigenen Sichtweise überzeugen und seine Ansicht als “falsch” brandmarken möchten, wird er sich wohl kaum öffnen können und wollen. Und auch für Erwachsene gilt: Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht.
Kinder brauchen keine Perfektion, sondern Eltern, die Verantwortung übernehmen und auf dem Weg sind.
So sehr ich meinen Umgang mit meinem Sohn liebe und für uns beide als stimmig empfinde…Vielleicht gibt es ja auch hier „verschiedene Wege nach Rom“. Und vielleicht will der andere mit dem Kind auch gar nicht nach Rom, sondern nach Wanne-Eickel.
Darf ich von meinem Partner verlangen, dass er dasselbe Ziel hat wie ich? Mir scheint, dass hier sehr viele Kreuzzüge zulasten von Partnerschaft und Kindern geführt werden.
Deshalb
Deshalb darf jeder bei sich selbst anfangen und bleiben. Das Elternteil werden, das er sein möchte. In Liebe dem begegnen, was ihn daran hindert. Auch dem eigenen Partner, mit dem man unwiderruflich für diese gemeinsamen Kinder verantwortlich ist.
Um Anregungen und praktische Ideen für den Alltag, wie sich Mutter sein und Partnerin bleiben vereinbaren lassen, wird es im zweiten Teil gehen. Dieser wird im Juli zuerst im Unerzogen-Magazin und dann auch hier in meinem Blog erscheinen.
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