Neugeborene kommen als hoch empfindsame Wesen auf die Welt. Ihre Reise durch den Geburtskanal ist oft stressig und bedrohlich; je nach Verlauf sogar traumatisch. Die neue Umgebung ist in so gut wie jeder Hinsicht anders als alles bisher Erlebte. Im Mutterbauch war es warm, die kleine Welt war sehr überschaubar und von allen Seiten begrenzt, das Baby fühlte sich im Fruchtwasser leicht und tänzerisch. Um es herum rauschten die Blutbahnen pulsierend und rhythmisch. Zusammen mit den Geräuschen des Magen, des Darmes und teilweise der Stimme seiner Mutter lebte der Säugling Tag und Nacht in einer durchgehenden Lautstärkeumgebung von 70 bis 80 Dezibel. Durch diese Wand an Geräuschen klangen andere Klänge aus dem „Außen“ – die Stimmen anderer Familienmitglieder, Straßenlärm, Musik. Immer wenn sich die Mutter bewegte, wurde die kleine Welt des Säuglings ebenfalls in Bewegung gesetzt. Eng zusammengerollt schwang der Säugling mit jeder Bewegung seiner Mutter mit.
Im besten aller Fälle hat dein Baby in der Schwangerschaft immer wieder deine Freude und Liebe gespürt.
Aber als dein Baby auf die Welt gekommen ist, war ALLES anders.
Alles.
Ich habe keine Ahnung, mit was sich das vergleichen lässt. Vielleicht wenn du morgens plötzlich in einem afrikanischen Dorf aufwachen würdest. Oder bei einem Nomadenvolk in der Mongolei. Du könntest auf nichts zurückgreifen, was du kennst. Du wüsstest nicht, wie du dich verständigen sollst. Du würdest nicht verstanden werden. Du wüsstest nicht, wie und mit was du dich versorgen solltest. Alles wäre dir fremd.
Du warst und bist das einzig Vertraute in einer Welt voller neuer und teilweise unangenehmer Dinge. Kälte beispielsweise. Der Säugling kommt nass auf die Welt und auf einmal kommt da ein kalter Luftzug. Berührungen direkt an seiner Haut. Es ist hell und die Geräusche klingen ganz anders. Es gibt keine Begrenzungen mehr. Das Baby kann plötzlich mit den Armen rudern, aber stößt nirgends mehr gegen. Und wenn es rudert, kann es damit auch nicht mehr seinen Körper in eine bestimmte Richtung bewegen, der sich nun außerdem ganz fremd und schwer anfühlt. Ein riesiger Schock!!
Deswegen ist der beste Ort für das Baby in den nächsten Stunden und vielleicht sogar Tagen dein nackter Körper. Haut an Haut, deinen vertrauten Herzschlag hörend, deine Stimme, deinen Geruch… So kann dein Baby langsam ankommen. Achtsamkeit heißt hier, dein Neugeborenes so wenig wie möglich in seinem Ankommen zu stören. Ihm Zeit zu geben, sich an alles zu gewöhnen. Eine Windel unterlegen und die Temperatur kontrollieren lässt sich auch hier. Gerade in den sensiblen ersten 24 Stunden, in denen dein Säugling häufig noch bei jeder Berührung zusammenzuckt, muss kein Köpfchen abgewaschen werden. Und auch keine komplizierte Kleidung angezogen werden, die im schlimmsten Fall noch über den Kopf gezogen werden muss. Es reicht ein Pucktuch oder eine Puckhilfe – deren Material an die Temperaturverhältnisse angepasst wird. Und geschlafen wird nahe an deinem Körper.
Achtsam…beim Wickeln
Das klassische Wickeln auf einer Wickelkommode ist für ein Neugeborenes mit großem Stress verbunden. Dies hat viele Gründe. Einerseits werden die meisten Babys in Rückenlage gewickelt und auch auf dem Wickeltisch abgelegt. In Rückenlage wird der Anklammerungs-Reflex, besser bekannt unter Moro-Reflex ausgelöst – eine für uns unkoordiniert aussehende Bewegung beider Arme. Sie sehen aus, als ob – ja, als ob das Baby nach Halt suchen, nach etwas greifen würde. Und genauso ist es auch. Und dies geht mit einem Adrenalin-Stoß einher, der Stress auslöst. Zudem ist die Rückenlage die Position, in der ein Säugling seine neue Hilflosigkeit am meisten wahrnimmt. Vielleicht ist sein Erleben vergleichbar mit dem einer umgedrehten Schildkröte, die auf ihrem Panzer liegt und vergeblich rudert, um sich wieder auf die Vorderseite zu drehen Der Säugling versucht sich zu bewegen, aber es passiert – nichts. Sein Rumpf liegt weiterhin schwer und unbeweglich auf dem Wickeltisch. Die Unterlage ist hart und starr, manchmal noch kalt. Und wenn der Säugling seine Arme heftig bewegt, stößt er ebenfalls an – nichts.
Viele Eltern berühren ihr Kind beim Wickeln fast gar nicht. Sie heben die Beinchen hoch oder wischen an Po oder Genital herum, aber das, was sie tun, ist für den Säugling völlig unvorhersehbar; die Berührungen zu punktuell, um sie als schutzgebend erfahren zu können. Häufig wird die Pflege mit kalten Tüchern vorgenommen, was den Säugling erschreckt. Zwischen den einzelnen Tätigkeiten wird dem Baby oft nicht genügend Zeit gelassen, um die Reize verarbeiten zu können.
Zeit und Halt geben
Es gibt jedoch viele Möglichkeiten, deinen Säugling achtsam zu wickeln und ohne, dass er Panik bekommen muss. Nach Möglichkeit sollte der Wickelplatz angenehm warm sein beispielsweise durch eine Wärmelampe. Aus einem Dusch-Handtuch kann ein U geformt werden. Legst du die Wickelunterlage nun auf das U, hat das Baby ein kleines Nestchen. Dein Säugling wird mit Fußkontakt zum Wickeltisch gebracht und dort über die Seite auf den Wickeltisch gerollt. Zuerst berühren seine Füße die Wickeloberfläche. Deinem Kind wird quasi eine taktile Botschaft gesendet: „Schau mal, da kommt etwas!“ Danach wird behutsam der Po auf die Oberfläche gesetzt, um dann langsam den restlichen Babykörper in Seitenlage abzulegen. Und so bleibt er dann erst einmal liegen. In der Seitenlage fühlen sich dein kleines Neugeborenes nämlich bedeutend wohler, da es in dieser Position die Arme am Körper haben und Begrenzung über die Seite spürt. Es ist möglich einen ganzen Teil des An- und Ausziehens und der Körperpflege in Seitenlage durchzuführen. Gleichzeitig kannst du dem Säugling Begrenzung an den Füßen geben, indem du ihn auf dem Wickeltisch so tief herunter ziehst, dass seine Füße deinen Bauch berühren können. Und wenn du deine Bewegungen ganz bedächtig durchführst, dann ist es auch bis auf wenige Ausnahmen möglich, deinen Säugling in einer Weise zu versorgen, in der immer eine flächige beruhigende Hand von dir auf seinem Körper liegt. Findet es eine Bewegung oder Berührung unangenehm – klassischerweise, wenn ihm etwas über den Kopf gezogen wird – kannst du danach erst einmal die kleinen Babyschultern und das Köpfchen Halt gebend in die Hände nehmen und ganz beruhigend mit ihm sprechen. Ihm über Berührung und Ansprache die Möglichkeit geben, seine aufgeregten Gefühle zu regulieren.
Du wirst an der Körperspannung und am Gesichtsausdruck deines Babys merken, wenn es sich wieder entspannt hat und nun bereit ist für den nächsten Schritt. Auch in viele Bewegungsabläufe beim Wickeln kann das Neugeborene von Anfang an miteinbezogen werden. Soll es auf die Seite gedreht werden, kann es aktiv mithelfen, in dem man den gegenüberliegenden Fuß mit leichtem Druck anwinkelt und mit der anderen Hand flächig den Rücken zu den Schulterblättern hochfährt. Durch diesen Bewegungsablauf werden instinktive Bewegungsreflexe beim Neugeborenen aktiviert und es kann sich mitdrehen. Dadurch werden im Laufe der Zeit alle Bewegungen für den kleinen Menschen viel vorhersehbarer und dadurch immer stressärmer. Wenn das Kind dann noch von Beginn an die Erfahrung macht, dass auf seine verbalen wie nonverbalen Signale geachtet wird, kommt zu dem „Wissen-was-kommt“ auch noch tiefes Vertrauen dazu, so dass es Tag für Tag weniger Rückversicherung braucht und das Wegfallen einzelner Komponenten wie beispielsweise das Nestchen entspannt toleriert.
Bei Hunger: Wickeln unterbrechen!
Das gilt natürlich auch für Hungersignale. Oft sind frisch gebackene Eltern selbst so verunsichert und innerlich im „Wickel-Modus“, dass sie ein schreiendes Kind, das verzweifelt an seinen Fäusten nuckelt, unbeirrt weiter wickeln und danach noch anziehen möchten. Aus praktischer Sicht empfiehlt es sich eh nicht vor dem Stillen zu wickeln, da sie meistens beim Stillen Stuhlgang entleeren – es sei denn, das Baby ist zu schläfrig. Wenn dein Baby jedoch eine frische Windel anhat und es bereits vor Hunger weint, dann kannst du es danach getrost erst einmal stillen und kuscheln. Kleidung wird wirklich völlig überbewertet, solange es Mamas oder Papas Körper und kuschelige Decken gibt. Und obwohl Wickeln für manche Eltern nur praktische Körperpflege ist, kann man diese schön gestalten, denn es ist für den Verlauf der Kindheit von größtem Interesse von beiden Seiten, dass Körperpflege von Anfang an als etwas Schönes wahrgenommen wird.
Achtsam…beim Stillen
Hungerzeichen sind zumeist erst einmal leise Signale. Das Baby streckt seine Zunge heraus, schmatzt; es öffnet seinen Mund und dreht den Kopf in verschiedene Richtung, um herauszufinden, ob die Nahrungsquelle in erreichbarer Nähe ist. Es steckt seine kleinen Fäustchen oder Finger in den Mund und nuckelt daran. Erst wenn diese immer hektischer werdenden Signale nicht beachtet werden, beginnt das Baby zu weinen. Übrigens ist das reflexhafte Hunger-Weinen meist deutlich zu unterscheiden, denn die Babys heben dabei ihre Zunge an den Gaumen, saugen quasi schon ein bisschen an und so erklingt immer wieder ein „Neh“-Laut im Weinen, ein bisschen wie in „Hungääää!“. Achte mal darauf, wenn dein Baby weint.
Im Rahmen einer achtsamen Beziehung ist es natürlich wichtig, dass sich dein Säugling auch mit seinen leisen Signalen gehört weiß. Hieraus entsteht ein vertrauensvolles Wechselspiel, in dem dein Baby darauf vertraut, dass es gehört wird und du als Mutter oder Vater lernst, bereits die kleinen Signale deines Baby wahrzunehmen. Beispielsweise kannst du dann noch einmal in Ruhe auf Toilette gehen oder dir vor dem Stillen etwas zu Trinken oder Essen bereitstellen und danach direkt dein Baby auf den Arm nehmen. Dass dies in den ersten Tagen oft so nicht möglich ist, ist normal. Die Säuglinge haben einerseits einen sehr kleinen Magen und andererseits sind die Milchmengen der Mutter auch noch eher gering. Zudem sind die Neugeborenen oft noch nicht richtig auf der Welt angekommen und verschlafen ihren Hunger, bis sie unangenehm von ihm geweckt werden (wenn du beispielsweise aufstehst, um auf Toilette zu gehen). Eine vertrauensvolle Beziehung wie oben beschrieben muss sich natürlich erst entwickeln.
Stillen ist zu Beginn der Stillbeziehung oft ein schwieriger, kräftezehrender Prozess. Direkt nach der Geburt finden die meisten Babys einer interventionsarmen Geburt zielsicher die Brust. In den folgenden Tagen jedoch klappt das Andocken nicht immer so zielsicher, was oft auch mit daran liegt, dass dein Baby den Nutzen dieser doch recht anstrengenden Tätigkeit noch nicht recht verstanden hat und dieses neue unangenehme Gefühl im Bauch immer stärker wird. Du kannst kann deinem Kind helfen, in dem du lernst deine Brust zu massieren und Milch auszustreichen, so dass dein Kind so lange Tropfen abschlecken kann bis es wieder die Ruhe findet – oft zufällig – anzudocken. Hier ist ein unterstützendes und dennoch behutsames Handling wichtig. Der Suchreflex des Babys ist so stark ausgeprägt, dass er in deiner Armbeuge, obwohl er direkt vor der Brust liegt, seinen Kopf hektisch hin und her dreht. Eine sanfte Hand im Nacken, die das Kind an die Brust führt, wenn dieses den Mund weit geöffnet hat, kann hier hilfreich sein. Hierbei sind ermutigende und bestärkende Worte beruhigend für den Säugling. Wenn man sich in die Situation hinein versetzt, dass man Hunger hätte, immer verzweifelter wird und immer wieder mit Druck in die weiche Mutterbrust gedrückt wird, wo der Mund verschlossen wird und man zusätzlich auch noch schlecht Luft bekommt, dann kann man sich vorstellen, dass dies bedrohlich wirken kann. Vor allem weil das Neugeborene noch nicht versteht, dass ihm eigentlich geholfen werden soll. Deshalb ist es wichtig, dass die Berührungen achtsam sind und dass es durch Laute und Worte erfährt, dass es unterstützt und bekräftigt wird, dass verstanden wird, wie schwierig dieser Prozess ist. (Die modifizierte Wiegehaltung erkläre ich hier.)
Für die Mütter auch anstrengend ist, dass das Baby in den ersten Tagen recht häufig trinkt, um die reiche Milchbildung anzuregen. Phasen des sogenannten Cluster-Feedings, in denen das Baby die Brüste über Stunden wechselhaft betrinkt, fallen obligatorisch gerne in die Nachtstunden.
Zum Teil tragen die Gepflogenheiten der westlichen Welt aber dazu bei, dass dieser Prozess kräftezehrender wird, als er sein müsste. Dadurch, dass unsere Babys oft direkt nach dem ersten Bonding angezogen werden und vielerorts in dicke Schlafsäcke oder Decken gepackt an Mamas Brust gelegt wird, kann dein Körper nicht die Menge an Oxytocin bilden, die ihm hilft, die reichhaltige Milchbildung voranzutreiben. Das häufige Kuscheln Haut an Haut oder wenn der Säugling zumindest nur dünn bekleidet ist, kann hier Abhilfe schaffen. Auch kann das Baby auf diese Weise ganz andere taktile Botschaften von der Welt erfahren. Gerade die unsägliche Angewohnheit kleinen Babys Handschuhe anzuziehen, „damit es sich nicht kratzt“ oder „weil es so kalte Händchen hat“, nimmt dem bekleideten Baby die letzte Möglichkeit, seine Welt taktil zu erfahren und verschließt diesen so bedeutsamen Wahrnehmungskanal. Kalte Hände werden direkt am menschlichen Körper unter einer Decke wieder warm. Und ein verkratztes Gesicht kann vermieden werden, in dem du die Fingernägel mit einem möglichst geschmacksneutralen Pflanzenöl weich hältst und scharfe Kanten im Schlaf abkaut. Das westliche Bestreben alles unter Kontrolle haben zu wollen und gegen alles etwas tun zu wollen, ist auch auf anderen Ebenen in der Säuglingspflege sehr verbreitet.
Achtsam… bei den Ausscheidungen
Für deinen Säugling ist es natürlich auch neu, nun Wasser zu lassen und Stuhlgang zu haben. Also, korrekterweise muss man natürlich sagen, dass er auch im Bauch schon das Fruchtwasser ausscheidet, aber das Pipi machen im warmen Wasser fühlt sich doch anders an, als außerhalb. Manche Babys reagieren auch auf diese Vorgänge mit Verunsicherung. Sie weinen, weil ihre Blase voll ist und dies ein unangenehmes Gefühl ist. Sie wissen noch nicht, wie man loslässt oder können es nicht. Auch wenn sie dann loslassen, kann sich dies merkwürdig anfühlen. Eltern die ein Leben mit Ausscheidungskommunikation führen (besser bekannt als „Windelfrei“), erleben häufig dass ein eben noch unruhiges, meckerndes Kind plötzlich erleichtert pieselt und danach wieder absolut tiefenentspannt ist. Auch diese Vorgänge muss das Baby erst kennenlernen. Mit dem Stuhlgang ist es natürlich genauso. Unsere Verdauung funktioniert ja ein bisschen so wie eine Waschmaschine – unsere Nahrung wird ausgepresst, durchspült und durch den mehrere Meter langen Darm gewalkt. Da werden die Darmwände gedehnt. Da entstehen Gase. Da drückt der Stuhl nach unten…
All das nimmt dein Säugling beunruhigt wahr und er braucht hier deine Co-Regulation und emotionale Begleitung.
Viele Eltern sind aber durch den sich windenden und unruhigen Säugling in Sorge. „Warum hat denn dieses Kind jetzt Bauchschmerzen? Stimmt etwas nicht? Was kann ich dagegen machen?“ Auf vielen Geburtstationen ist die Gabe von Sab Simplex oder Lefax – einem Entschäumer gegen Blähungen – bei Säuglingen normal. Mal ganz abgesehen, dass es fragwürdig ist, einem Säugling ein Medikament zu geben, dessen Nutzen nicht bewiesen werden konnte und dass Zuckeraustauschstoffe und künstliche Aromen enthält, fragt es sich, warum ein Säugling ÜBERHAUPT ein Medikament bekommen sollte, um mit seinen natürlichen Darmfunktionen klar zu kommen. Natürlich kann die Inbetriebnahme des Darmes mit Unwohlsein einher gehen; natürlich kann ein Säugling tatsächlich Blähungen und Bauchschmerzen haben. Was es aber braucht, um damit umgehen zu können, ist die Co-Regulation seiner Eltern. Emotional als auch körperlich.
Zuallererst ist deine Zuversicht nötig, dass alles in Ordnung ist und dass du dein Kind in diesem Prozess begleiten kannst. Und dann die manuelle Hilfe, damit dein kleines Baby leichter ausscheiden kann. In dem du seinen Füßen Gegendruck gibst, sie vibrieren oder kreisen lässt, sie anziehst und wieder locker lässt… Durch Wärme und leichten Druck am Bauch; vielleicht eine kleine Massage im Uhr-Zeiger-Sinn, tragen im Tragetuch oder einer Tragehilfe… All diese Dinge helfen deinem Baby leichter verdauen zu können.
Ein Baby das aus Bauchschmerzen weint, macht übrigens pressende Laute nach unten – so ein bisschen, als würden wir versuchen eine Waschmaschine zu bewegen. Manchmal läuft das Gesicht dabei auch rot an.
Achtsam…beim Weinen
Weinen ist Kommunikation. Für dein Baby ist Weinen ein wichtiger Weg dir zu sagen, wie es ihm gerade geht. Eltern, die ihr Kind schon länger kennen, können das Weinen ihres Kindes anhand des Klanges und der begleitenden Bewegungen verstehen. Denn Weinen ist nicht gleich Weinen. Schmerzweinen klingt eher hoch und schrill. Hungerweinen hat einen charakteristischen Klang. In den ersten Lebenstagen jedoch und auch oft genug später bleibt den Eltern nur das Raten. Es ist eine große Errungenschaft unserer Zeit, wie ich finde, das Weinen von Babys ernst zu nehmen. Zu versuchen, die Ursache des Unwohlseins zu beheben. So ist es gut, wenn Eltern erst einmal die gängigen Punkte „abklappern“: Hat es Hunger? Ist die Windel voll? Sehnt es sich nach Körperkontakt? Hat es Bauchschmerzen und braucht Unterstützung beim Ausscheiden? Ist es müde und findet nicht in den Schlaf? Ist ihm zu warm oder zu kalt?
Das Tolle ist, dass es mittlerweile Forschungen gibt, dass wirklich alle Babys weltweit dieselben reflexhaften Laute machen, wenn sie Hunger oder Bauchweh haben, müde sind, aufstoßen müssen oder sich unwohl fühlen, beispielsweise schwitzen oder frieren. Herausgefunden und durch ihr Engagement wissenschaftliche Forschungen vorangetrieben, hat dies die australische Opernsängerin Priscilla Dunstan, seit sie vor 20 Jahren Mutter wurde. Informationen dazu findest du unter dem Namen Dunstan Baby Language.
Wie Hunger- und Bauchwehweinen klingt habe ich bereits erklärt.
Müdes Weinen hat einen sehr offenen, wie gähnenden Klang. AOW. Die Zunge liegt dabei eher am Zungenboden. Natürlich kann man immer auch auf andere Müdigkeitssignale achten und wenn du erst einmal weißt, dass dein Kind alle 2 Stunden müde wird, gibt dir die Zeit natürlich auch einen Anhaltspunkt.
Ein Baby das aufstoßen muss, drückt beim Weinen Luft nach oben und macht kurze, stoßende Eh-Eh-Eh-Laute. Ein Baby, dem kalt, zu warm oder sonst irgendwie körperlich unwohl ist, weint hechelnd. Man hört deutlich das H im Weinen. Stell mal vor, du willst irgendeine Stelle an deinem Rücken erreichen, die gerade juckt. Das Weinen des Babys ist ähnlich dem angestrengten Geräusch, den wir auch als Erwachsene noch machen, wenn uns eine Falte in der Kleidung stört, wir schwitzen oder ähnliches.
Hier kannst du dir alle Geräusche einmal anhören.
Es gibt eine niederländische App, die „Baby Taal“ heißt, in der man sehr viele Beispiele hören kann und so wirklich üben kann, sein Baby besser zu verstehen. Für iPhone-Nutzer gibt es die App auch auf Englisch („Baby Happiness App“).
Auch wenn diese Geräusche bei deinem Baby wahrscheinlich ein bisschen anders klingen und du sicherlich ein wenig üben musst, um die charakteristischen Klänge aus dem „Wein-Brei“ deines Babys herauszufiltern, glaube ich fest daran, dass du nach einer kurzer Zeit sicherer wissen wirst, warum dein Baby weint. Hier ein Erfahrungsbericht.
(Und übrigens ist das, wie ein Baby einzelne Wörter aus UNSEREM Sprachbrei herausfiltert und mit Bedeutungen versieht, ein fast ähnlicher Prozess und wenn dein Baby etwas größer ist, kannst du deinem Baby mit Gebärden dabei helfen, leichter Wörter aus deinen Sätzen herausfiltern zu können. Weitere Infos dazu und Kursangebote in deiner Nähe findest du hier oder hier.
Es geht nicht darum, Weinen gänzlich zu verhindern!
Auf eine Art und Weise mit einem Baby umzugehen, dass wir es nicht zum Weinen bringen, ist ein begrüßenswerter Ansatz. Aber es geht nicht darum jedes Weinen zu vermeiden. Denn Weinen ist Kommunikation und hat dadurch eine stressregulierende Wirkung.
Weinen ist eine natürliche Funktion des menschlichen Stress-Regulationssystems. Man könnte sagen, dass Weinen ein Selbstreinigungsmechanismus ist. Durch das Weinen werden Stresshormone ausgeschieden. Ein Baby hat viele neue Reize zu verarbeiten. Und oft dazu eine Geburt, die ihm vielleicht Angst gemacht und großem Druck ausgesetzt hat. Gerade das häufige Weinen in den Abendstunden ist bei Säuglingen in den ersten drei Lebensmonaten normal. Es kommt in allen Kulturen vor. Allerdings weinen Säuglinge in Kulturen, in denen sie naturgemäß viel Körperkontakt haben, tatsächlich kürzer als in Kulturen, in denen Babys wenig berührt werden. Es konnte nachgewiesen werden, dass Säuglinge, die viel in direktem Hautkontakt gekuschelt werden, gar bis zu zwölfmal weniger weinen als andere. Aber sie weinen. Und sie müssen weinen. Ich vergleiche das mit dem Austausch mit meinem Partner nach einem anstrengenden oder sogar hoch emotionalen Arbeitstag. Kaum zuhause angekommen, muss ich erst mal erzählen und loswerden, was ich den Tag über so angesammelt habe.
Gute Eltern sind nicht diejenigen, deren Kinder niemals weinen.
Gute Eltern sind diejenigen, die ihre Babys beim Weinen emotional begleiten. Die ihnen zuhören. Die sie nicht ständig unterbrechen, sie hektisch schuckeln, alle naslang die Positionen wechseln und in Dauerschleife sagen: „Alles gut, es ist doch alles gut. Mama ist da. Alles gut…“
Sondern die sie umarmen, ihnen liebevoll ins Gesicht schauen und sagen: „Was hast du denn? Möchtest du mir was erzählen? Ich bin da. Ich höre dir zu… Ach, so schlimm war das?“
Mag sein, dass ein Baby die Worte seiner Eltern nicht versteht. Die Energie HINTER den Worten allerdings schon. Ob es mit seinen Emotionen angenommen ist oder ob ihm vermittelt wird, dass sie irgendwie falsch sind. Ein Baby spürt sowohl die Anspannung seiner Eltern während es weint als auch die Erleichterung wenn es wieder aufhört.
Natürlich FREUEN sich liebevolle Eltern nicht, wenn ein Kind weint. Und es ist allzu verständlich, dass Weinen zunächst in Alarmbereitschaft versetzt und den Impuls weckt, helfen zu wollen. Wenn es aber um das emotionale Verarbeiten geht, dann ist das einzige, was dem Baby hilft, die elterliche Erkenntnis, dass sie nichts Hilfreicheres tun können als das Weinen da sein zu lassen. Zuzuhören. Sich hinzuwenden. Erst wenn Eltern einsehen, dass gerade nicht „alles gut“ ist, können sie dafür sorgen, dass alles wieder gut WIRD. Weil das Baby alles erzählen kann, verarbeiten kann und auf diese Weise integrieren kann. Und es zuverlässig erfährt, dass es mit seinen Gefühlen nicht allein ist.
Natürlich spricht nichts dagegen, es einem Baby (und sich selbst) beim Weinen gemütlich zu machen. Wenn ich vermute, dass ein Säugling Gebärmutter-Heimweh hat, dann kann ich ihn natürlich in ein Pucktuch wickeln. Entscheidend dabei ist die Energie. „Oh mann, das ist ganz schön fremd hier für dich, hm? Komm, ich mach es dir schön kuschelig und dann erzählst du mir, wie es dir geht“ ist etwas anderes als „Ich hab dich gepuckt, ich schaukle dich…Jetzt hör doch auf zu Weinen. Hier ist der Schnuller. Jetzt nimm ihn doch!“
Eine gute Position für ein verbindendes Zwiegespräch mit Babys kann es sein, wenn du dir dein weinendes Baby auf die Brust setzt, so dass dein Säugling und du euch anschauen und begegnen könnt. Mit deinen Händen können die kleinen Babyschultern behutsam zusammengehalten und natürlich der Babykopf gestützt werden. Während du durch den Raum schunkelst, signalisierst du deinem Säugling, dass du ihm zugehörst.
Es kommt vor, dass ein Baby, das vorher unartikuliert gebrüllt hat, dann eindeutige Hungersignale gibt, die es vorher in seiner Aufgebrachtheit nicht mehr zeigen konnte. In dem Moment, in dem die Eltern klar verstanden habe, was der Säugling braucht, wird sein erkanntes Bedürfnis natürlich erfüllt. Oft passiert es, dass sich das Weinen in dieser Position und in dieser Haltung verändert: Es hört sich nun tatsächlich wie erzählen an. Der aufgeregte kleine Körper ist unter Umständen nun nicht mehr pausenlos angespannt, sondern entspannt sich beim „Erzählen“ immer wieder. So wie wir großen Menschen auch entspannen, wenn wir etwas für uns Schlimmes endlich unserem Partner erzählen können und von ihm in den Arm genommen werden. Dass er uns zuhört, uns weinen und erzählen lässt, ist dann für unser emotionales Wohlergehen genauso wichtig, wie es nun für dein Baby ist.
Helfen kann hier auch noch der sogenannte “Elefantengang”. Stell dir vor, dass jedes deiner Beine mindestens einen Zentner schwer ist und laufe so langsam durch deine Wohnung. Der Rhythmus wird nicht nur dein Baby sondern auch dich erden. Und wenn du dabei noch bewusst versuchst in den Bauch zu atmen, wirst auch langsam ein wenig ruhiger und kannst so deinem Baby auch helfen sich zu beruhigen. Vielleicht hilft dir dabei ein kleiner Satz wie “Einatmen für die Kraft. Ausatmen für die Liebe” oder “Einatmen für mich. Ausatmen für dich”.
Uns Großen helfen bei großen Gefühlen natürlich unsere jahrelange Erfahrungen. Für dein Baby ist alles neu. Säuglinge sortieren aufgrund der unglaublich vielen Reize in der ersten Zeit nur in zwei „Regalfächer“: „alles paletti“ oder „mega scheiße“. Man könnte sagen, dass es ein geradezu binäres System ist. Erst im Laufe der Jahre entwickelt das Gehirn die Fähigkeit Abstufungen wahrzunehmen und etwas auch mal „ganz okay“ zu finden. Dazu muss nicht nur erst mal das Wichtigste quasi katalogisiert werden, bestimmte Gesetzmäßigkeiten als unumstößlich und verlässlich erkannt werden, sondern auch bestimmte Hirnreifungsschritte erfolgen. Denn nicht nur die Welt ist dem Säugling fremd.
Er ist sich selbst auch fremd und seine Wahrnehmung ist – gerade im ersten Lebensjahr – einem enormen Wandel unterlegen, die immer wieder alles auf den Kopf stellt. Natürlich sind Veränderungen und Wachstum etwas Gutes. Aber sie machen eben auch Angst und fühlen sich mittendrin oft bedrohlich an.
Wenn dein Kind aber wirklich viel weint und gerade dann, wenn du weißt, dass die Geburt vermutlich für dein Baby alles andere als einfach war – also bei allen operativen Geburten wie Kaiserschnitten, Saugglocke oder gar Zangengeburten, kann ich nur empfehlen, einen Osteopathen aufzusuchen, der auch craniosakral arbeitet. Der Kopf und der Körper deines Babys wurde bei der Geburt großem Druck ausgesetzt und gerade bei einer operativen Geburt auch einem unnatürlichem Zug. Es macht absolut Sinn, diese Blockaden lösen zu lassen. Interessant zu wissen dabei ist, dass Blockaden immer wieder an derselben Stelle entstehen können, wenn wieder emotionaler Stress entsteht oder ein Wachstumsschub kommt. Treten also nach einer Phase der Besserung wieder dieselben Symptome auf, geht ruhig noch einmal zum Osteopathen.
Grundsätzlich ist die Geburt ein so mächtiges emotionales wie auch körperliches Ereignis. Auch wenn dein Baby nicht viel schreit, können kleinere Blockaden die Entwicklung des Schädels, des Kiefers und der Sinnesorgane beeinträchtigen. Daraus können sich dann später Zahnfehlstellungen. Augenerkrankungen, Lern- und Verhaltensstörungen ergeben. In Geburtskliniken in England und Dänemark ist es weitgehend üblich, Kinder nach der Geburt vorsorglich osteopathisch zu behandeln. Hier in Deutschland muss man sich leider selbst darum kümmern und die Behandlung meist auch selbst bezahlen. (Obwohl es Krankenkassen gibt, die mittlerweile einen Teil der osteopathischen Behandlungen übernehmen, sofern der Osteopath ausgebildeter Arzt und nicht “nur” Heilpraktiker ist. Frag also ruhig nach.) Wenn ihr euch nach der Geburt eingegroovt habt, macht es meines Erachtens immer Sinn, einen Termin zu vereinbaren, um Geburtsblockaden auszuschließen. Ebenso nach jedem schwereren Sturz oder Unfall, wo große Kraft auf Körper und Knochen ausgeübt wird.
Ein guter Osteopath, der auch die emotionale Bedeutung der Geburt auf dem Schirm hat, kann deinem Baby dabei helfen, das Geburtserlebnis zu verarbeiten. Und du kannst das auch. Beispielsweise in dem du die „Schmetterlingsmassage“ erlernst (achtung, schlimme Nivea-Schleichwerbung), eine symmetrische schmetterlingsleichte Massage am ganzen Körper des Babys. Und such dir nach einer belastenden Geburt auch bitte selbst Hilfe, ob durch aufarbeitende Gespräche oder auch durch körpertherapeutische Interventionen wie schon genannte Cranio-Sakral-Osteopathie oder bioenergetische Fußmassagen und Ähnlichem. Deine inneren Blockaden zu lösen, hilft auch automatische deinem Baby (aber eben auch zuallererst dir und du bist unfassbar wichtig!!!).
Jedenfalls möchte ich dich wirklich ermutigen, zu lernen deinem Baby zuzuhören. Es anzuschauen und mit ihm in Verbindung zu gehen. Seine Mimik und seine Körpersprache kennenzulernen. Und sein Weinen nicht als etwas Schlimmes an zu sehen, sondern als das, was es ist:
Dein Baby kommuniziert. Mit dir.
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