#pampersauszeit


Sehr geehrte inhaltlich Verantwortliche der Pampers-Homepage,

heute stieß ich auf den – in meinen Augen – grausamen und absolut nicht zeitgemäßen Artikel
„Kinder richtig bestrafen: Auszeiten“.

Als Einfach Eltern®-Familienbegleiterin und Mutter möchte ich diesen einfach nicht unkommentiert stehen lassen, denn er widerspricht allem, woran ich glaube.

Zuallererst dem ersten Paragraphen unseres Grundgesetzes:

 

“Die Würde eines Menschen ist unantastbar.“

Und – erstaunlich, aber wahr – für mich sind Kinder auch Menschen.

Wenn ich die gewaltvolle und abwertende Haltung in Ihrem Artikel lese, dann kann ich erkennen, dass Sie das nicht glauben.

Stellen Sie sich einmal vor, dass Ihr Partner nicht einverstanden mit Ihrem Verhalten wäre. Stellen Sie sich dann vor, er würde sie isolieren und ignorieren, in der Erwartung, dass Sie danach das tun, was er möchte. Was glauben Sie: Würden Sie sich von ihm geliebt und gewürdigt fühlen?

Aber hier geht es doch um Kinder!“ werden Sie vielleicht nun einwenden und dann sage ich: „BÄM! Erwischt.“
Kinder sind offenbar Ihrer Ansicht nach noch keine richtigen Menschen und deshalb kann man diesen ja antun, was man selbst unerträglich finden würde.

Für mich der eindrucksvollste und wichtigste Grund gegen jede Form von Bestrafung ist folgender:

 

Eindrucksvolle elterliche Lektion: Schwächeren Leid zuzufügen ist in Ordnung.

Wir Eltern geben damit ein gewaltiges, sehr negatives Vorbild ab.

Nämlich das Vorbild, wie man mit Schwächeren und Unterlegenen umgeht. Dass man das Recht hat, diesen absichtlich Leid zuzufügen.

Häufig werden Kinder bestraft, wenn sie sich in irgendeiner Form „unsozial“ verhalten. Wenn sie anderen wehtun oder sie beschimpfen zum Beispiel. Wie effektiv ist wohl unsere Botschaft, dass „man anderen nicht wehtut“, wenn wir sie Kindern beizubringen versuchen, indem wir ihnen wehtun? Wie glaubhaft wohl die Botschaft, dass sie die Grenzen anderer nicht übertreten sollen, indem ihre eigenen Grenzen niedergerissen werden?

Ich glaube, dass die Botschaft „Der Stärkere darf die Grenzen anderer übertreten“ und „Ich bin es nicht wert, dass meine Grenze gewahrt werden“ viel, viel mächtiger für das Kind ist und tief in ihnen abgespeichert wird.

Tatsächlich ließ sich in Studien nachweisen, dass Strafen Charaktereigenschaften wie „Egoismus“ fördern. Der Bestrafte denkt nämlich so gut wie nie darüber nach, warum er bestraft wurde, sondern nur darüber, wie er zukünftig Bestrafung vermeiden kann, was er tun würde, wenn er „der Stärkere“ wäre und die Macht hätte und über seine eigenen Gefühle (z.B. Trauer, Angst, Zorn).

 

Eindrucksvolle elterliche Lektion 2: Liebe tut im Herzen weh und ich muss um sie kämpfen!

Zudem behauptet der Strafende ja, das Kind zu lieben. Und so lernt ein Kind früh, Liebe mit Schmerz und Leiden zu verknüpfen. Und damit, dass man sich anpassen und verstellen muss, um geliebt zu werden. Dass man sich Liebe (und Verhalten seitens der Eltern, das sich angenehm anfühlt), verdienen muss.
Wenn Eltern einen nur lieben, wenn man bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legt, heißt das im Umkehrschluss auch, dass sie einen nicht lieben, wenn man sich anders verhält.

 

Eindrucksvolle elterliche Lektion 3: Der Grund für dein Verhalten ist mir völlig egal!

Der behavioristische Umgang mit Verhalten von Kindern blendet auch völlig aus, dass Kinder immer einen Grund für ihr Verhalten haben:
Manche Dinge fallen vielleicht einfach unter altersgerechtes Verhalten. Beispielsweise kindlicher Entdeckungsdrang und Neugierde, Egozentrik, orkanartige Wutanfälle, die das kindliche, noch nicht ausgebildete Gehirn völlig überrollen.
Anderem Verhalten liegt Überforderung zugrunde, namentlich zum Beispiel Termindruck, Müdigkeit oder Hunger.
Und nicht zuletzt gibt es auch „schlechtes“ Verhalten, das verursacht wird, weil wir Eltern unsere Kinder gekränkt haben. In dem wir sie nicht ernst nehmen, sie nicht sehen, ihnen nicht zuhören, ihnen böse Absicht unterstellen, von ihnen Dinge erwarten, die sie noch nicht können KÖNNEN und ihren starken Kooperationswillen nicht wahrnehmen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns erst gesehen fühlen müssen, um unserem Gegenüber wirklich zuhören zu können und darüber nachdenken zu können, was unser Verhalten bei Anderen ausgelöst hat. Dafür brauche ich ein einfühlsames Gegenüber und vor allem eines, was sich mit seinem Wesen, seinen Gefühlen und seinen Wünschen zeigt. Werden Menschen gedemütigt, abgewertet, ignoriert oder isoliert, dann werden sie innerlich hart und sie können nicht mehr erreicht werden.

Passen bestrafte Menschen ihr Verhalten an, dann nicht, weil sie verstanden haben, um was es den Bestrafenden geht, sondern um weiterer Bestrafung und Demütigung aus dem Weg zu gehen. Immer wieder gibt es aber auch Kinder, die Bestrafungen – aufgrund des Angriffes ihrer Integrität – mit Rebellion begegnen und bewusst weitere Ausgrenzung in Kauf nehmen.

 

Kinder lernen durch Auszeiten nicht das, was ihre Eltern sich wünschen und Eltern lernen nichts Neues über ihre Kinder (und sich selbst)

Fassen wir also zusammen:

  • Mit Bestrafungen bringen wir Kindern bei, dass dies die Weise ist, mit der wir Menschen begegnen sollen, deren Verhalten uns nicht gefällt.
  • Wir bringen ihnen bei, dass Liebe und Schmerz zusammengehören und dass es zur Liebe gehört, sich selbst aufgeben zu müssen, um wieder geliebt zu werden und positive Zuwendung zu erfahren.
  • Wir verhindern, dass sie ihr Verhalten – wenn überhaupt – aus den richtigen Gründen ändern.

Eltern sind herausgefordert, sich immer wieder der Frage zu stellen, ob die Art, wie sie mit ihrem Kind JETZT umgehen, mit ihren Langzeit-Wünschen für ihre Kinder vereinbar ist.

 

Was wünschen sich Eltern für Ihre Kinder? Und unterstützt ihr derzeitiges Erziehungskonzept ihre Wünsche oder untergräbt es diese?

Die meisten Eltern haben Dinge wie Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein ganz oben auf ihrer Hitliste. Sie wünschen sich, dass ihre Kinder sich später Partner aussuchen, die ihnen gut tun. Sich von einem despotischen Chef nicht unterdrücken lassen. Dass sie ein großes Herz haben und sich für andere einsetzen. Dass sie zufrieden mit sich und ihrem Leben sind.

Für Kinder sind ihre Eltern ihre ersten Beziehungspartner. Von ihnen lernen sie, wie sich Liebe anfühlt. Wie man Konflikte lebt. Wie man mit Andersartigkeit umgeht. Wie man miteinander in Beziehung geht. Oder auch nicht. 

Ich persönlich wünsche mir für meinen Sohn, dass er von mir nicht lernt, andere Menschen auszugrenzen. Und auch nicht, dass er sich Liebe verdienen muss, weil ich ihm das Gefühl gebe, dass er, so wie er ist und gerade sein kann, nicht gut genug ist.

Ich wünsche mir, dass er weiß, dass er wertvoll ist, auch wenn er auf seinem Weg Fehler macht. Ich wünsche mir, dass er weiß, dass Liebe Zuhören und Verstehen bedeutet und immer das Beste im anderen sehen zu wollen.
Und auch, dass kein anderer Mensch ihm an Wert unterlegen ist. Auch nicht ein Mensch, der nur halb so groß und alt ist, wie er.

Als Familienbegleiterin frage ich mich, welches Menschenbild Pampers hier vertritt.
Sie treten hier für grundsätzliches Misstrauen Kindern gegenüber ein.
Dafür, dass es in Ordnung ist, Macht zu gebrauchen, um anderen Menschen vorsätzlich Leid zuzufügen (denn gerade Kleinkinder sind noch vollkommen auf ihre Eltern angewiesen und ein Beziehungsabbruch löst große Trauer und Angst in ihnen aus – es ist quasi die Strafe, die sie am meisten trifft).
Dass Sie als Unternehmen Menschen dazu auffordern und ihnen die Legitimation geben, Gewalt in ihrer Erziehung zu nutzen (denn Isolation und Ignorieren ist natürlich eine Form von Gewalt!), obwohl Gewaltfreiheit seit 2000 in Deutschland gesetzlich verankert ist und seelische Gewalt ausdrücklich dazu gezählt wird.

Das ist für mich inakzeptabel.

Mit freundlichen Grüßen
Natascha Makoschey


P.S.:
Ich möchte Ihnen ausdrücklich das Buch „Liebe und Eigenständigkeit“ von Alfie Kohn ans Herz legen. Leicht verständlich und dennoch fachlich fundiert, bringt er die Folgen von an Bedingungen geknüpfter Erziehung auf den Punkt.

Sie finden hier eine sehr ausführliche Leseprobe.

 

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    Natascha Makoschey (Baujahr 1983) hat einen 9-jährigen Sohn und arbeitet als Kinderkrankenschwester in der Geburtshilfe. Wenn sie nicht gerade Bücher liest, zwangsweise Uno spielt oder darüber nachdenken muss, welchen Pokémon sie am liebsten mag, dann quatscht, strickt oder singt sie.

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