Ich habe wirklich einige Bücher darüber gelesen, warum die (groß-) elterliche Sorge davor, das Kinder verwöhnt werden, Quatsch ist. Mich damit beschäftigt, woher dieser Gedanke kommt. Welchem Zeitgeist und welchem Menschenbild er entspricht.

Ich dachte, ich hätte dieses Phänomen von allen Seiten beleuchtet.

Aber nie hätte ich gedacht, dass mich eine einzige Frage emotional fast an den Abgrund bringen kann.

 

Hast du Ansprüche?“

Ich war bei einem alten Kumpel eingeladen und ein gemeinsames Essen stand auf dem Plan. Vorab stellte er per WhatsApp folgende Frage: „Hast du Ansprüche beim Essen?“

Ich gebe zu, vielleicht etwas merkwürdig ausgedrückt – er wollte wissen, ob es Allergien, Nahrungsunverträglichkeiten gibt oder ob ich Vegetarierin bin.

Ich kann dieses siedend heiße Gefühl von… ja, was eigentlich?… Scham?… gar nicht beschreiben, das einmal von oben nach unten durch meinen Körper lief. Mein Hirn war im Ausnahmezustand.

„Ansprüche? Ich??? Nein, nein, nein… Ich habe überhaupt gar keine Ansprüche. Ich bin ganz unkompliziert, wirklich. Ich mache gar keine Schwierigkeiten. Ich bin ganz lieb.“

Ich fasse diese wirren Gedanken jetzt etwas überspitzt zusammen, aber im Grunde lief es gefühlt darauf hinaus, dass ich Sorge hatte, die „Liebe“ meines Kumpels zu verlieren, wenn ich Ansprüche hätte.

Na, herzlichen Glückwunsch. Was für ein Erbe!


Kurzfristiges Genießen – von Schuldgefühlen abgelöst

Ich kann mich an eine Begebenheit aus meiner Kindheit erinnern, als meine Schwester und ich eine Nacht bei Bekannten verbracht haben. Morgens gab es ein üppiges Frühstück und wir beobachteten relativ erstaunt, dass sich keiner der Anwesenden Gedanken darüber zu machen schien, wie viel Nutella aufs Brot geschmiert wird oder ob statt einer Scheibe Käse zwei genommen werden. Bei uns wurde auf so etwas geachtet. Bloß nicht zu dick Butter, Leberwurst, Honig… 2 Scheiben Wurst für eine Brötchenhälfte – was für eine Verschwendung! Es wurde das passende Stück bei einer weiteren Scheibe abgeschnitten und „angepuzzelt“. Aus dieser Atmosphäre heraus saßen wir Kinder bei diesen Leuten und fühlten uns wie im Paradies. Jede Marmelade wurde probiert, dick das Brötchen mit Nutella beschmiert…

Zuhause erwartete uns unsere Mutter tief beschämt und empört über unser Verhalten. Irgendwie schienen diese Menschen, bei denen wir zu Besuch waren, sich über unsere „Maßlosigkeit“ beschwert zu haben. Ich kann gar nicht sagen, WIE oft uns diese Situation als „Stein des Anstoßes“ noch aufs Brot geschmiert wurde. Jedenfalls löst sie heute noch ein sehr ungutes und unbehagliches Gefühl in mir aus.

Irgendwie ist so etwas übrig geblieben, das man ungefähr so zusammenfassen kann: „Ich darf nichts genießen. Ich darf nicht glücklich sein. Ich muss wachsam sein. Wenn ich bin, wie ich bin, bin ich nicht liebenswert.“


„Ich bin es mir wert. Ich DARF es mir wert sein, verdammt noch mal!“

Als ich den Gedanken und Gefühlen, die die Frage meines Kumpels in mir ausgelöst hatten, einige Zeit zugehört hatte, wurde es langsam ruhiger in mir.

Ich fühlte wie – ein bisschen trotzig vielleicht, aber auch wohlig warm – neue Gedanken in mir aufstiegen:

„Ja, ich habe Ansprüche und das ist gut so. Ich bin mir so viel wert, dass ich mich mit Menschen umgeben möchte, denen es wichtig ist, dass es mir gut geht, dass mein Geschmack berücksichtigt wird, die an mir interessiert sind. Ich möchte viele Dinge tun, die mir gut tun und für mich sorgen. Menschen, die mich schlecht behandeln, mich herabsetzen und demütigen, möchte ich keinen Raum geben.“


Der Traum von Kindern, denen „Genießen“ und „es sich selbst wert sein“ nicht ab-erzogen wird

Was für ein Erziehungsauftrag wäre das einmal für uns Eltern? Unseren Kindern ein Gefühl dafür zu vermitteln, das ihre Meinung wichtig ist, dass sie auf sich achten dürfen, dass sie das Leben und was es uns schenkt, genießen dürfen. Es geht nicht darum, dass immer alles erfüllt werden soll (was ja gar nicht möglich wäre – es sei denn, wir wären Millionär), aber das keine künstlichen Gründe geschafft werden, warum etwas nicht erfüllt wird. Dass jeder Wunsch sein darf und das Wort „Maßlosigkeit“ oder „Verwöhnt sein“ aus dem Sprachschatz verschwinden. Dass wir unser Leben und das unserer Kinder – da, wo es möglich ist – aus der Fülle leben und nicht aus einem künstlich erschaffenen Mangel. Dass wir uns Dinge nicht erst „verdienen“ müssen, sondern dass wir sie geschenkt bekommen und verschenken, einfach weil wir uns freuen und weil wir geliebt sind und lieben.

Jetzt. Hier. Heute.

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    Natascha Makoschey (Baujahr 1983) hat einen 9-jährigen Sohn und arbeitet als Kinderkrankenschwester in der Geburtshilfe. Wenn sie nicht gerade Bücher liest, zwangsweise Uno spielt oder darüber nachdenken muss, welchen Pokémon sie am liebsten mag, dann quatscht, strickt oder singt sie.

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