schreien

Wenn man Eltern wird, und zum ersten Mal sein Baby im Arm hält, fühlen sich viele Menschen plötzlich sehr verunsichert. Viele Menschen haben zwar schon mal andere Babys im Arm gehalten, aber eben nur kurz oder erst, wenn sie deutlich älter waren. Und tatsächlich gibt es auch immer häufiger Eltern, wo einer oder beide Teile erzählen, dass sie eigentlich in ihrem bisherigen Leben gar nichts mit Babys zu tun hatten. Das ist die eine Zielgruppe meines Beitrags.

Mich beschäftigt aber nicht nur, wie man Neugeborene IRGENDWIE hochheben, tragen oder wickeln kann.
Wer viel mit frisch geborenen Kindern zu tun hat, weiß, dass diese meist höchst irritabel sind. Sie liegen zufrieden auf Mamas Brust im Hautkontakt, aber eine kleine Berührung von außen bringt sie aus dem emotionalen Gleichgewicht, erschreckt sie. Noch schlimmer wird es, wenn man sie in einer Weise aufnimmt oder ablegt, die den sogenannten Moro-Reflex auslöst. Das ist ein Anklammerungs-Reflex – ein Schutzreflex, der immer auch mit einem Adrenalinstoß einhergeht. Mir ist es also wichtig, ein Baby in einer Art und Weise zu berühren, die es nachvollziehen kann und die keine Schutz-Reflexe auslöst. Zudem ist es mir wichtig, dass das Aufheben, Ablegen und auch das Herumgetragen werden angenehm für ein Baby ist.
Menschen, die hier auch gerne dazu lernen möchten, sind die andere Zielgruppe meines Beitrages.

Die Eltern der kleinen Finja haben mir erlaubt mit ihrem Baby mehrere Videos zu drehen, um verschiedene Aspekte des Umgangs mit einem Neugeborenen zeigen zu können. Vielen Dank dafür!

Mein Baby-Handling birgt Elemente aus dem physiotherapeutischen Bobath-Konzept und dem Kinaestetics Infant Handling.

“Das Kind muss sich selbst Be-Greifen können” war ein geflügelter Satz der Praxisanleiterin Martina Schulte in meiner Ausbildung zur Kinderkrankenschwester an der Uni-Kinderklinik Bonn. Wenn sie die Frühgeborenen versorgt hat, war alles ganz behutsam, sanft und achtsam. Die Babys haben selten geweint und wenn wurden sie gehört und beachtet. Ihre Arbeit hat maßgeblich mein Interesse an achtsamer Pflege von Früh- und Neugeborenen beeinflusst.

Es ist noch gar nicht so lange her, als man das Weinen des Säuglings wahlweise entweder als Versuch, die Erwachsenen zu tyrannisieren interpretiert hat oder als angeborenes Verhalten, das wichtig sei, um die Lungen zu stärken. Ansonsten sei es aber einfach reflexhaftes Verhalten und hätte keinerlei ernstzunehmende Aussage. Deswegen wurden Eltern ermahnt, sich ihrem Säugling nicht zu viel zuzuwenden. Erst recht nicht dann, wenn er weint, damit er nicht lernt, dass er damit seine Eltern „nach seiner Pfeife tanzen“ zu lassen. Und deshalb wurden Neu- und Frühgeborene auch noch im Jahre 1987 teilweise ohne Narkose operiert, weil ihnen lange Zeit kein Schmerzempfinden geschweige denn ein Schmerzgedächtnis zugetraut wurde.

Heute ist das zum Glück anders. Der Säugling wird von den meisten Eltern von Anfang an als eigenständige Persönlichkeit ernst genommen. Hebammen und Krankenschwestern leiten die Eltern an, die frühen Hungerzeichen ihres Babys zu verstehen und darauf zu reagieren. Die meisten Eltern reagieren auf das Weinen ihres Babys: sie nehmen es auf den Arm und versuchen es zu beruhigen.

Irgendwie hat sich in den letzten Jahren aber manches verschoben. Es begann damit, dass man annahm, dass Babys umso weniger weinen, umso mehr es einfühlsam begleitet wird.

Es ist natürlich richtig, dass einem Baby viele Tränen erspart werden kann, wenn achtsam mit ihm umgegangen wird; es gerade an seinem Lebensanfang nicht mit Reizen überfordert wird.
Ein Säugling, der Sehnsucht nach Körperkontakt hat, kann auf den Arm genommen werden.
Ein Säugling der Hunger hat kann gestillt werden.
Beim „Attachment Parenting“ wird ja genau das versucht: Dem Säugling so viel Nähe zu geben, dass er sich wohl fühlt.

Aber das heißt andersherum mitnichten, dass ein Baby nicht weinen würde, wenn man nur ja alles „richtig“ machen würde!

 

Babys weinen, auch wenn man alles „richtig“ macht!

Mit unserer eigenen Wut umgehen

Letzte Woche habe ich Ihnen ein paar Werkzeuge für Ihren Werkzeugkoffer vorgestellt, wie Sie der Wut Ihres Kindes begegnen können.

Aber was ist eigentlich mit UNSERER Wut?
Ganz ehrlich: Ich kann ja Bücher lesen und Texte schreiben so viel, wie ich will — an manchen Tagen herrscht in meinem Werkzeugkoffer eine unfassbare Unordnung und ich finde nicht, was ich brauche und an anderen – ist der ganze Koffer plötzlich spurlos verschwunden!

Übrig bleiben – um in der Metapher zu bleiben – immer nur zwei Dinge: Der erzieherische Schraubstock und die Brechstange. Das Ergebnis ist häufig ein paar Dezibel zu laut und beinhaltet eine Anhäufung von „Wenn-Dann“-Sätzen. Hinterher geht es sowohl mir als auch meinem Kind schlecht. Gleichzeitig mit der Scham pocht noch die Wut in meinen Adern und mein Kind fühlt sich gedemütigt, fremdbestimmt und – im Endeffekt – ungeliebt.

Wie wir mit starken Gefühlen unserer Kinder beziehungsfördernd umgehen können

Es gibt sie:

Diese Tage an denen man das Gefühl hat, man hat sich nur von einem Wutanfall des Kindes zum nächsten gehangelt.
Tage, an denen man denkt, man könnte in den Tränen des Kindes ertrinken und hätte für die nächsten 3 Jahre das Lärm-Pensum völlig ausgereizt.
Tage, an denen man manchmal auch einfach nur weg möchte – ganz alleine nach Bhutan zum Beispiel, wo das Bruttonationalglück Staatsaufgabe ist.

Leider kann man aber nicht weg. Nicht mal ein bisschen. Denn vor einem auf dem Boden liegt das brüllende Kleinkind und man kann es nun mal nicht einfach da liegen lassen (auch wenn wir damit gerne aus Hilflosigkeit drohen – hierzu hat meine Blogkollegin Susanne Mierau einen tollen Artikel geschrieben).
Genau das macht ja auch einen Großteil unseres Drucks aus: Wir können der Situation nicht entfliehen.
Und im schlimmsten Fall haben wir auch noch gerade Zeitdruck, Hunger, müssen aufs Klo oder alles zusammen.

Nun muss ich Sie leider enttäuschen: Es gibt keinen Zaubertrick, kein „Portal“, kein Wunder.
Aber es gibt viele Wege, die uns das Gefühl geben, an einem Wunder teilzuhaben – dem Wunder miteinander zu wachsen und eine Situation gemeinsam gemeistert zu haben.

Die meisten Werkzeuge sind banal.
Die Schwierigkeit besteht nicht darin, sie zu kennen, sondern sie zur richtigen Zeit parat zu haben. Hierfür brauche zumindest ich immer wieder Impulse, die sie mir wieder und wieder in Erinnerung rufen – auch in Stresssituationen.
Ich wünsche mir, für Sie oder Euch ein solcher Impuls sein zu können.

Erster Teil:
„Strategien, die nicht beziehungsfördernd sind und warum viele Eltern so unter Druck geraten“

Das da oben bin ich. Auch wenn dies mit Sicherheit nicht die Hochphase eines Wutanfalls oder von Verzweiflung gewesen sein wird, so lese ich doch deutlich Ärger und Empörung aus meinem Gesichtsausdruck heraus. Und ich frage mich: Was in aller Welt hat meine Eltern dazu gebracht, in diesem Moment den Fotoapparat zu holen (damals hatte man noch nicht immer griffbereit das Smartphone mit integrierter Kamera in der Tasche) und mich zu fotografieren?

 

„Du siehst so süß aus, wenn du wütend bist!“

Ein Satz, den ich bis heute hasse und der mir aber dennoch auch im Erwachsenenleben (selbst im Berufsalltag) begegnet ist. Wenn ich ihn höre, weiß ich, dass ich meistens in meinem Anliegen nicht ernst genommen werde, ja, dass mir oft gar nicht zugehört wird.
Um auf die Frage oben zurückzukommen: Der Impuls, den Fotoapparat zu holen und sein Kind zu fotografieren, wenn es gerade sauer ist, ist der unbewusste Versuch, eine Distanz herzustellen. Es ist das komplette Gegenteil davon, sich mit dem Kind in seinem Schmerz zu verbinden, sich ihm in seiner ganzen Präsenz hinzuwenden. Denn stellen Sie sich eine vergleichbare Situation mal kurz mit Ihrem Partner vor: Sie sind unglaublich wütend und Ihr Partner sagt zu Ihnen: „Ich höre dir gleich zu, Schatz, aber erst möchte ich dich fotografieren. Du bist so süß, wenn du dich aufregst!“ Können Sie sich vorstellen, was Sie in diesem Moment empfinden würden?