Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade, ins Leben gerufen von den wunderbaren Bloggern von: https://diephysikvonbeziehungen.wordpress.com/
Dort gibt es noch bis Mitte September viele weitere Artikel zum Thema Schule.
Vielen Dank, dass ich daran teilnehmen darf!


Der tägliche Kampf

Jetzt geht es wieder los:

Das fremdbestimmte Leben, wo morgens der Wecker klingelt. Wo ich mein Kind nur noch müde und schlecht gelaunt erlebe, weil es sowohl morgens um halb sieben noch nicht ansprechbar ist und auch nachmittags um 16 Uhr nicht mehr wirklich viel Energie hat. Wo wir uns über Hausaufgaben streiten müssen und ich mit meinen widerstreitenden Gefühlen kämpfen muss.

Das eine, das meinen Sohn frei aufwachsen lassen will und ihm vertrauen möchte. Das andere, das Sorge hat, dass er nicht mitkommt. Das die Drohungen der Lehrer hört und Angst hat, dass mein Sohn mir irgendwann vorwirft, ihn nicht mehr zum Lernen angehalten zu haben.

Aber von vorn:

Schon früh war mir klar, dass ich meinen Sohn sowohl um seinet- als auch um meinetwillen nicht in eine Regelschule geben kann, weil wir beide daran kaputt gehen. Ich selbst habe bereits als Jugendliche gegen die Ungerechtigkeit, das Hierarchiedenken und die Willkür des Schulsystems im Allgemeinen und gegen die einzelner Lehrpersonen im Besonderen rebelliert. Auch hatte ich mich bereits zu Kindergartenzeiten meines Sohnes darüber aufgeregt, wie respektlos oft auch die Eltern behandelt werden und wie sehr sie dazu genötigt werden, sich dem System anzupassen anstatt sich (soweit es möglich ist) den einzelnen Kindern und ihren Bedürfnissen anzupassen.
Ich wollte dieses Gefühl des Ausgeliefertseins und der Unmündigkeit nicht weiter erleben.

 

Lernen, wie es gut tut: selbstbestimmt und in enger Beziehung mit Lernbegleitern jedweder Art

Zusätzlich wollte ich, dass mein Sohn auf eine Weise lernen kann, welche diesen Begriff wirklich verdient:

In engen persönlichen Beziehungen zu Lernbegleitern, selbstbestimmt, was Thema und Lernform angeht und inspiriert von vielfältigen Angeboten, die ihn neugierig machen, sich mit neuen Dingen zu beschäftigen. Ich wollte, dass Dinge wie Persönlichkeitsbildung, Gefühle, Wertvorstellungen einen Raum in der Schule haben und dass zusätzlich ganz viele praktische Dinge erfahren werden, auch außerhalb der Schulwände.

 

Die ASK – ein Traum… der leider zerplatzte

Das Angebot der Aktiven Schule Kölns schien mir genau das zu bieten. Bei meinem Hospitationstag war ich begeistert von der unfassbar konzentrierten Energie, die durch die Räume waberte, von der Neugierde und Begeisterung, wie sich Kinder einzeln oder in Gruppen mit den verschiedensten Themen beschäftigten, und berührt davon, wie persönliche Erfahrungen und Gefühle beiläufig ihren Raum fanden, als sich ein Gespräch um den Wert von Erinnerungen und dem Versuch diese festzuhalten, entspann, während eine Lehrerin die Fotos der Klassenfahrt auf dem PC sortierte.

Leider bekamen wir dort keinen Platz. Ich meldete meinen Sohn an einer städtischen Montessorischule an, aber auch dort bekam er keinen Platz. Auf die Regelschule bei uns um die Ecke sollte er auf GAR KEINEN Fall, da ich in unserer Nachbarschaft zu viele Geschichten gehört hatten, die dazu führten, dass ich nicht wollte, dass mein Kind in diese Schule jemals einen Fuß setzt. Ich meldete ihn an der Grundschule in der Nähe meiner Eltern an. Aufgrund der Verschlechterung der Erkrankung meines Sohnes kam er dann letzten Endes auf eine Förderschule für körperliche und motorische Entwicklung.

 

Wertschätzende Lehrer und ein (meist) zufriedenes Kind – insgesamt ein Glücksgriff

Unter den gegebenen Umständen ist dies ein wahrer Glücksgriff gewesen. Im Klassenverband sind nur um die 10 Kinder. Die Klasse meines Kindes hat 4 Klassenlehrer, Integrationshelfer bzw. Schulbegleiter (denn manche Kinder sind schwerst mehrfach behindert und können weder alleine essen noch auf Toilette gehen), eine FSJlerin und eine Physiotherapeutin. Zudem habe ich das Glück, dass die Klassenlehrer meines Sohnes grundsätzlich eine sehr wertschätzende und zugewandte Haltung Kindern gegenüber haben. Das ist definitiv nicht in allen Klassen so. Manche Lehrpersonen sind sehr streng. Andere nehmen Kinder (und erst recht keine behinderten) einfach nicht ernst und behandeln sie in jeder Hinsicht, als wären sie schwachsinnig.

Als positiv empfinde ich die vielfältigen Angebote, die die Kinder erhalten: Mein Sohn hat wöchentliches Schwimmen, kann sich in ständig neuen Bewegungslandschaften austoben, hat in der Schule bereits an einem einjährigen Trommel-Workshop, dem Schul-Chor, einem Tanz-Projekt, einer Experimente- und einer Tier-AG teilgenommen.

Auch gibt es durch den sehr unterschiedlichen Entwicklungsstand der Kinder einen insgesamt flexibleren Lehrplan und die Möglichkeit gewisse Freiräume zu gewähren.

Und mein Sohn wächst in einem Klima der gegenseitigen Unterstützung, der gelebten Unterschiedlichkeit, des gegenseitigen Respekts auf. Es ist so schön, ihm dabei zuzusehen, wie er Verantwortung für andere Kinder übernimmt, den einen hilft, die anderen verteidigt und wie für ihn so viele Dinge ganz normal sind, wo ich massive Berührungsängste habe.

 

Hausaufgaben und langweilige Lehrmaterialien zerstören die Lernmotivation und leider so manches Wochenende

Als nachteilig empfinde ich das Festhalten am antiquierten Hausaufgabenkonzept – obwohl immerhin nur welche über die Wochenenden aufgegeben werden. Außerdem kommen mir die Lehrmaterialien sehr redundant und dröge vor. Von einer anderen Grundschullehrerin kenne ich die Kritikpunkte an den verwendeten Lernheften – die aber mit Sicherheit den besonderen Kindern an unserer Schule geschuldet sind, denn vermutlich profitieren diese von den vielen Wiederholungen und den klaren Aufgaben.

Leider sprechen diese – meines Erachtens – an keiner Stelle die Neugierde und die Kreativität eines Kindes an und mein Sohn tut sich mit den Aufgaben sehr schwer. Manche Aufgaben sind auch noch in sich nicht komplett durchdacht: Wortsilben auf Puzzleteilen sollen zusammengesetzt werden. Jedoch sind die Puzzleteile nur Deko und bei der richtigen Lösung passen die Puzzlestücke nicht zusammen. Solche Ungenauigkeiten bringen meinen Sohn völlig auf der Fassung.

Zusammenfassend lassen sich unsere Probleme auf zwei Faktoren runterbrechen:

  1. Die Unlust meines Sohnes sich mit Schulthemen zu befassen und Hausaufgaben zu machen
  2. Meine Schwierigkeit, einen für mich stimmigen Weg zu finden, damit umzugehen.

 

Mein Mutterherz ist hin- und her gerissen zwischen Stolz und Sorge

Mein Sohn weigert sich konsequent Kleinbuchstaben zu nutzen. Das Erledigen von Hausaufgaben ist ein wöchentlicher Kampf. Von den Lehrern wurde ihm sogar zugestanden, dass er keine Hausaufgaben macht, allerdings führte das nicht dazu, dass er diese irgendwann gerne wieder machen wollte, so dass dieses Angebot nach einigen Monaten wieder zurückgenommen wurde. So warmherzig mir mein Sohn auch beschrieben wird, so klar ist auch, dass er „nicht erziehbar“ ist. Gemeint ist damit, dass er für das schulische Manipulationsstrategien wie Belohnung und Bestrafung nicht zugänglich ist. Er ignoriert diese einfach oder nutzt sie in seinem Interesse. Ich bin hin- und hergerissen zwischen dem Stolz auf diesen kleinen Freigeist und der Sorge, dass er sich selbst einen Weg dadurch verbaut.

 

“Kann mein Kind sich nicht einfach anpassen, zum Kuckuck?!”
Meine eigenen Wunden

Zudem werde ich an unzählige eigene Wunden geführt und auch an meinen inneren Wunsch nicht negativ aufzufallen. Kann mein Sohn nicht das Mindestmaß an schulischen Dingen machen und einfach weniger aus der Masse herausstechen, zum Kuckuck?
Wenn ich ihn dazu bringen möchte, seine Hausaufgaben zu machen, werde ich oft zur schlechtesten Version meiner selbst. Ich bitte, ich erpresse, ich drohe, ich schimpfe, ich bin ungeduldig und hilflos. Dass er Aufgaben anders löst als vorgegeben, dass er kreativ sein will und zum Beispiel aus den Buchstaben Figuren macht, kann ich oft nicht aushalten. Er soll einfach das machen, was da steht!! Dabei ist genau dieses Kreativsein doch das, was ich mir für ihn wünsche. Aber das Wissen, dass dies nicht das ist, was die Lehrer von ihm möchten und das Gefühl, dafür verantwortlich zu sein, dass mein Kind nicht übermäßig aus der Reihe tanzt, machen mich zu einer fantasielosen, unnachgiebigen, nicht wertschätzenden Mutter.

In mir wohnt meine eigene Mutter, die oft schreiend und schimpfend neben mir saß, meine „Doofheit“ nicht nachvollziehen konnte, mich als „faul“ bezeichnete und prophezeite, dass ich so „irgendwann einmal unter einer Brücke schlafen würde“, (was – wie ich heute weiß – einfach nur Ausdruck ihrer Hilflosigkeit, Angst und ihrem fehlenden Vertrauen in sich und mich war).

Ich kann gar nicht so schnell aufarbeiten, wie ich mit neuen negativen Gefühlen konfrontiert werde, wenn es um diese Schulthemen geht.

 

Im inneren Konflikt:
Helfe ich meinem Kind mit meiner Schulkritik oder mache ich es ihm schwerer?

Auch frage ich mich manchmal ob ihm meine deutlich gelebte Meinung, dass das Schulsystem und die dort zumeist gelebte Haltung Kindern gegenüber, grundsätzlich zu kritisieren sind, hilft. Oder ob dies dafür sorgt, dass er sich noch schwerer einfinden und anpassen kann, als es unter Umständen sowieso seinem Naturell entspricht.

Aber für mich fängt es schon beim Grundsätzlichen an:

Kinder werden als leere Gefäße gesehen, die wir füllen müssen. Wir entscheiden, was für ALLE KINDER wichtig ist zu lernen (und das ist ziemlich willkürlich und es fehlen meines Erachtens einige wesentliche Punkte). Wir bestimmen über den Aufenthaltsort der Kinder. Wir bestimmen wann was gelernt wird (und fächerübergreifendes Lernen wird nach wie vor an den meisten Schulen nicht durchgeführt – was für eine Ressourcen- und Zeitverschwendung!) und auch, wann sie aufhören sollen, sich beispielsweise für Deutsch zu interessieren und sich gefälligst für Biologie interessieren sollen. Das Notensystem ist eine Katastrophe, an keiner Stelle aussagekräftig und zerstört Lerneifer noch zusätzlich. Das gängige System der festgelegten Schulferien versklavt alle Familien schulpflichtiger Kinder und wird von der kompletten Tourismusbranche ausgenutzt, indem teilweise mehr als das Doppelte auf die normal gültigen Preise aufgeschlagen wird, so dass ein Urlaub für viele Familien nicht bezahlbar ist. Bleibt man aber Zuhause, trampelt man sich bei einem alternativen Besuch im Zoo oder Freizeitpark gegenseitig auf die Füße und steht stundenlang an Warteschlangen an…

Sie sehen schon: Einmal angefangen, höre ich nicht mehr auf. Schade ich damit meinem Kind?

 

Es bleibt ein Spagat

Eine endgültige Antwort habe ich noch nicht gefunden. Ich versuche die Balance zu halten, gleichzeitig einerseits auf grundsätzliche Mängel hinzuweisen und meinen Sohn in seinem Gefühl zu unterstützen, wenn er sich über Ungerechtigkeiten beklagt und andererseits seinen Lehrern und ihren täglichen Bemühungen und ihrer Liebe für jedes einzelne Kind dennoch größtmöglichen Respekt und Dank zu zollen. Ich such nach Wegen mein Kind auf vielfältige Art und Weise neugierig zu machen auf Dinge, mit denen er sich von Schule wegen beschäftigen muss und bemühe mich, mich für alles Schulische, was er mir zuträgt, zu interessieren.

Das ist anstrengend und ich fühle mich oft genauso fremdbestimmt von dem System Schule, wie mein Kind es ist.


Vielleicht darf er ja bald auf die Aktive Schule wechseln?

Irgendwann wird hoffentlich die Nachricht ins Haus flattern, dass an der Aktiven Schule ein Platz frei geworden ist. Dann mache ich einen Luftsprung, schmeiße eine Party und organisiere ein Gewinnspiel auf dieser Seite! 🙂

 

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    Natascha Makoschey (Baujahr 1983) hat einen 9-jährigen Sohn und arbeitet als Kinderkrankenschwester in der Geburtshilfe. Wenn sie nicht gerade Bücher liest, zwangsweise Uno spielt oder darüber nachdenken muss, welchen Pokémon sie am liebsten mag, dann quatscht, strickt oder singt sie.

      4 Comments

    1. Pingback: Blogparade #Schule #Selbstbestimmt #unerzogen | Die Physik von Beziehungen

    2. Anonymous

      Antworten

      Danke, für dein dich zeigen <3 ich finde mich dort absolut wieder! Einerseits stark machen wollen, andererseits unsicherheit und die bange Frage "mache ich es meinem Kind damit schwerer?"… gefolgt von "Aber wie ist die Alternative? Druck, Zwang? Nein!". Uns steht bald wieder ein Gespräch bevor, vor dem ich mich fürchte, weil ich weiß, welche Erwartungen man an uns Eltern stellt.. Umarmung und Danke, Hanna

    3. Dinah

      Antworten

      Ich habe Ihnen/Dir vorhin schon eine Nachricht geschrieben .. noch bevor ich diesen Artikel las. Bei uns geht es exakt und dieselben Themen, ich habe das Gefühl, es geht um mein Kind. Es ist zum Teil für mich nur noch ein Aushalten und ich bin auch sehr ohnmächtig, was sich vordergründig erstmal in Wut niederschlägt. Ich bin “froh”, dass es auch Menschen so geht, die sich schon viel länger mit Unerzogen und Bedürfnisorientierung etc. befassen. Ich empfinde all das, was Du beschreibst selbst!

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